CETA ist noch lange nicht tot
Opposition kündigt Ablehnung von Freihandelsabkommen mit Kanada an
Am Ende scheint die EU-Kommission lieber in den sauren Apfel zu beißen: Am Montagnachmittag verkündete EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada soll nun doch - und entgegen ihrer juristischen Überzeugung - als »gemischtes Abkommen« von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Sie wolle damit Verzögerungen vermeiden, sagte Malmström in Straßburg. Die Kommission will damit eine Blockade einzelner Mitgliedstaaten verhindern, denn gleichzeitig soll CETA in Teilen angewendet werden, sobald die EU-Institutionen zugestimmt haben.
Trotzdem wittern Kritiker die Chance, das Abkommen noch zu verhindern. So hält der Umweltminister in Schleswig-Holstein, Robert Habeck, den Vertrag »so, wie er ist, nicht für zustimmungsfähig«. Der grüne Landespolitiker, der 2017 im Bund als Spitzenkandidat der Grünen antreten will, sieht in CETA die Gefahr, »dass erkämpfte Rechte der Bürger im globalen Handel zur Verhandlungsmasse« werden. Das schwäche das Vertrauen in den Welthandel. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat könnten die Grünen Beschlüsse der Länderkammer blockieren. Auf ihren Parteikollegen Winfried Kretschmann kann die Partei allerdings nicht setzen. Der Ministerpräsident in Baden-Württemberg machte in der Vergangenheit keinen Hehl daraus, dass er CETA zustimmen werde.
In einer aktuellen Stunde im Bundestag forderten PolitikerInnen der Opposition am Mittwoch, das Abkommen nicht vor der Abstimmung in den Ländern anzuwenden. »CETA ist ein schlechtes Abkommen«, sagte der Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin. »Ein solches Abkommen sollte weder vorläufig noch endgültig angewendet werden.«
Auch für Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag »verbietet es sich, dass Teile des Abkommens in Kraft treten, bevor die Mitgliedstaaten zustimmen«. Sein Parteikollege Alexander Ulrich forderte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, in Brüssel deutlich zu machen, dass Deutschland einer vorläufigen Anwendung nicht zustimmen werde.
Die Regierungskoalition dagegen warb für das Freihandelsabkommen, CETA sei ein »gutes Abkommen«, erklärte Uwe Beckmeyer (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsministerium. Sein Parteikollege Klaus Barthel sprach davon, dass es im Laufe der Verhandlungen deutliche Verbesserungen gegeben habe, etwa beim Investitionsschutz. Der CDU-Abgeordnete Michael Fuchs erklärte: »Deutschland und Europa brauchen diese Abkommen, um auf Dauer globale Spieler zu bleiben.«
Kritik an der vorläufigen Anwendung des Abkommens gab es auch vonseiten der Nichtregierungsorganisationen. Roland Süß, Handelsexperte des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, warnt vor einer Einführung »durch die Hintertür«. Weil Malmström sich nicht frontal gegen die öffentliche Meinung durchsetzen könne, setze sie auf die vorläufige Anwendung. Uwe Hiksch, Mitglied des Bundesvorstandes der NaturFreunde Deutschland, begrüßte zwar grundsätzlich die Einstufung als »gemischtes« Abkommen. Da Malmström aber bereits angekündigt hat, dass sie die Parlamente nur fragt, um CETA schneller anwenden zu könne, sprach er von einem »Taschenspielertrick«
Für eine Anwendung braucht es allein die qualifizierte Mehrheit im EU-Rat, also von momentan mindestens 15 EU-Fachministern, in deren Staaten mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU leben. Dabei legt der Rat auch fest, welche Teile des Abkommens vorläufig anzuwenden sind. Ratifiziert ist der Vertrag, sobald der Rat einstimmig dafür votiert und es zudem eine Mehrheit im EU-Parlament gibt - und wenn jeder Mitgliedsstaat abgestimmt hat. Sollte CETA in einem Mitgliedstaat nicht ratifiziert werden, müssen Rat und Kommission mehrheitlich entscheiden, das Abkommen zu beenden. Kommt ein solcher Beschluss nicht zustande, bleibt alles wie es ist.
Für Roland Süß ist klar, es wird schwer, die vorläufige Anwendung wieder zu beenden. Allerdings sei das nur eine Interpretation, andere gingen davon aus, dass CETA geplatzt ist, sobald es in einem Mitgliedstaat nicht ratifiziert wird. Klar ist aber: mit dem Vorschlag verschafft sich die EU-Kommission Zeit, zumindest Teile des Abkommens Realität werden zu lassen.
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