Dallas: Mutmaßlicher Schütze war Afghanistan-Veteran
Fünf Polizisten von Heckenschützen getötet / Neun Verletzte / Mutmaßlicher Angreifer mit Hilfe eines Roboters getötet worden
Berlin. Während eines Protestmarschs gegen Polizeigewalt in der US-Stadt Dallas hat mindestens ein Heckenschütze fünf Polizisten getötet. Mindestens sieben weitere sowie zwei Zivilisten seien verletzt worden, teilten die Behörden der texanischen Großstadt am Freitag mit. Einer der mutmaßlichen Angreifer sei mit Hilfe eines Roboters getötet worden, an dem ein Sprengsatz angebracht war, sagte Polizeichef David Brown. Drei Menschen wurden festgenommen. US-Präsident Barack Obama zeigte sich auf dem NATO-Gipfel in der polnischen Hauptstadt Warschau bestürzt über die Bluttat. Anlass für den Protestmarsch am Donnerstagabend (Ortszeit) war der Tod von zwei Afroamerikanern, die in anderen US-Städten innerhalb von zwei Tagen durch Polizeischüsse ums Leben gekommen waren.
Die Polizei sprach zunächst von zwei Heckenschützen. Ein Verdächtiger ist tot. Wie das US-Verteidigungsministerium am Freitag mitteilte, handelt es sich bei dem Mann um den 25-jährigen Micah J. Er sei ein aus Afghanistan zurückgekehrter Reservist der US-Armee und lebte in Mesquite bei Dallas. Laut der Aussage von Polizeichef David Brown sagte J. vor seinem Tod, er sei über die jüngsten Fälle von Polizeigewalt, bei der Schwarze getötet wurden, »erschüttert« gewesen. Der mutmaßliche Schütze hatte sich den Angaben zufolge im Parkhaus einer Hochschule verschanzt. Er habe angegeben, Weiße und insbesondere weiße Polizisten töten zu wollen. Zudem habe er gesagt, dass Bomben im Parkhaus und in der Stadt versteckt seien. Die Polizei tötete den Mann laut Brown mithilfe eines Roboters per Sprengsatz.
Juli 2016
In Falcon Heights (Minnesota) stirbt ein Schwarzer, nachdem ein Polizist bei einer Fahrzeugkontrolle mehrfach auf ihn schoss.
Mai 2016
Am Steuer eines gestohlenen Autos wird eine Afroamerikanerin in San Francisco von einer Polizeikugel tödlich getroffen.
Dezember 2015
In Chicago erschießen Polizisten eine fünffache Mutter und einen Studenten. Beide sind schwarz.
Juli 2015
Ein Polizist erschießt in Cincinnati (Ohio) bei einer Verkehrskontrolle einen unbewaffneten Schwarzen. April 2015: Ein Afroamerikaner stirbt in Baltimore (Maryland) an den Folgen einer Rückenverletzung. Er war in Polizeigewahrsam misshandelt worden.
April 2015
In North Charleston (South Carolina) erschießt ein Polizist einen flüchtenden, unbewaffneten Schwarzen von hinten.
März 2015
Tödliche Schüsse auf einen unbewaffneten Schwarzen lösen in Madison (Wisconsin) Proteste aus. dpa/nd
Drei weitere Verdächtige wurden festgenommen. Darunter war eine Frau, die in der Nähe des Parkhauses gefasst wurde, wie Brown noch in der Nacht zum Freitag mitteilte. Die Frau war Rawlings zufolge Afroamerikanerin. Bei den beiden anderen handele es sich um zwei Männer, die in einem Auto geflohen waren. Die Polizei gehe davon aus, dass die Festgenommenen zusammengearbeitet haben, sagte Brown in der Nacht. Am Morgen berichtete er dann, der getötete Verdächtige habe angegeben, allein zu handeln.
Zur Identität der Festgenommenen und zu ihrer Hautfarbe machte die Polizei zunächst keine Angaben. Brown und Bürgermeister Mike Rawlings betonten zudem, aus ermittlungstaktischen Gründen vorerst nur wenige Informationen an die Öffentlichkeit geben zu wollen. Die Behörden baten die Bevölkerung um Hilfe. »Wir brauchen Ihre Unterstützung, um Sie vor denjenigen zu beschützen, die für diese tragischen Ereignisse verantwortlich sind«, sagte Brown in einem eindringlichen Appell. Die Polizisten hätten unter Einsatz ihres Lebens für die Sicherheit von Zivilisten gesorgt. Dabei hätten sie kaum eine Chance gehabt, sich vor den Schüssen zu schützen.
Bei einem der Toten handelt es sich um einen 43 Jahre alten Polizisten im Dienst des Nahverkehrsunternehmens DART. Er sei der erste im Einsatz getötete DART-Beamte, seit die Behörde im Jahr 1989 eine eigene Polizei gegründet habe, zitierten Medien einen Sprecher. Drei weitere DART-Angehörige wurden verletzt, wie das Unternehmen auf Twitter mitteilte. Eine Teilnehmerin des Protestmarschs wurde von einer Kugel am Bein getroffen. Die Frau sei mit ihren Kindern bei der Demonstration gewesen, sagte ihre Schwester vor Reportern. Sie habe sich auf ihr 15-jähriges Kind geworfen, um es vor den Kugeln zu schützen.
Augenzeugen berichteten von Chaos, als die ersten Schüsse kurz vor 21.00 Uhr (Ortszeit) am Donnerstag fielen. Passanten suchten Schutz in Hauseingängen oder Bushaltestellen. Als die Schüsse zu hören waren, habe sie zunächst gedacht, es handele sich um Feuerwerkskörper, sagte eine Zeugin dem Sender KTVT. Sie sprach von »mindestens 30 Schüssen«. Ein Video zeigte einen Schusswechsel zwischen einem Verdächtigen und der Polizei.
Die frühere Lebensgefährtin des kürzlich im US-Bundesstaat Louisiana von Polizisten getöteten Afroamerikaners hat die Gewalt gegen die Polizei in Dallas verurteilt. »Wir lehnen von ganzem Herzen die verwerflichen Gewaltakte ab, die gegen Mitglieder der Polizei von Dallas verübt wurden«, sagte die Mutter des Sohnes von Alton Sterling in einer Mitteilung vom Freitag, wie mehrere US-Medien berichteten. Egal, wie aufgebracht die Menschen seien, hieß es weiter, solche »widerliche Gewalt« dürfe nicht toleriert werden.
US-Präsident Obama sagte in Warschau, die Tat sei bösartig, kalkuliert und verachtenswert. Er sprach von einer gezielten Attacke auf Polizisten. Den Behörden sagte er seine volle Unterstützung zu. »Es ist eine verheerende Nacht gewesen«, teilte die Polizei über Twitter mit. Der Nachrichtensender CNN berichtete, es sei der tödlichste Tag für die Polizei in den USA seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gewesen. Damals seien 72 Polizisten ums Leben gekommen.
Prominente in den USA zeigen sich bestürzt über die tödlichen Schüsse. Sänger John Legend (37) schrieb auf Twitter, das Töten durch Polizisten abzulehnen bedeute nicht, das Töten von Polizisten gutzuheißen. »Wir brauchen Frieden auf unseren Straßen.« Der Tweet wurde innerhalb einer Stunde rund 16 000 Mal geteilt. Schauspielerin Patricia Arquette (48) schrieb wenig später: »Bitte hört auf, euch gegenseitig umzubringen. Keine Schusswaffen mehr. Keine Gewalt mehr. Kein Mord mehr. Schrecklich.«
Zuvor hatte es in Dallas - wie in zahlreichen anderen US-Städten - friedliche Demonstrationen wegen der jüngsten Polizeigewalt gegen Afroamerikaner gegeben. Anlass war der Tod von zwei Schwarzen, die innerhalb von zwei Tagen von Polizisten erschossen worden waren. In Baton Rouge (Louisiana) zwangen zwei Polizisten den 37-jährigen Alton Sterling auf einem Parkplatz zu Boden und erschossen ihn aus nächster Nähe. Tags darauf starb der 32 Jahre alte Philando Castile in Falcon Heights (Minnesota) im Krankenhaus, nachdem ein Polizist bei einer Fahrzeugkontrolle auf ihn geschossen hatte. Der Gouverneur von Minnesota räumte Rassismusprobleme ein. »Wäre das passiert, wenn die Insassen (...) weiß gewesen wären? Ich denke nicht«, sagte Mark Dayton. »Ich denke, wir alle in Minnesota müssen eingestehen, dass diese Form von Rassismus existiert.« Agenturen/nd
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