Personalrat will kein Hetzer sein
Christoph Berndt äußert sich erstmals zu den an der Charité erhobenen Anschuldigungen
Es scheint, als habe Christoph Berndt zwei Leben, die nicht zueinander passen. Einerseits ist der Zahnarzt und Labormediziner seit langer Zeit Personalratsvorsitzender der renommierten Berliner Universitätsklinik Charité. Als solcher sei er, erzählen Leute, die ihn kennen, immer engagiert für die Interessen aller Mitarbeiter eingetreten und nie negativ aufgefallen in der Richtung, in der ihm jetzt Vorwürfe gemacht werden.
Dann ist da aber das Engagement an seinem Wohnort im Spreewald. Dort ist er Vorsitzender des umstrittenen Vereins »Zukunft Heimat«, der in der Umgebung Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) organisiert. Im Spreewald ist das schon länger bekannt, und auch an der Charité soll zumindest der Personalrat schon seit Monaten davon gewusst haben.
Antifaschistische Aktivisten stellten dann aber in der vergangenen Woche die Verbindung her. Sie brachten ein Transparent an einem Gebäude der Charité in Mitte an und verteilten dort und im zugehörigen Virchow-Klinikum in Wedding Flugblätter mit Hintergrundinformationen. Berndt wurde dabei als »Rassist« und als »menschenverachtender Hetzer im Spreewald« bezeichnet. Seine Abberufung als Personalratschef wurde verlangt.
Dazu kursiert die Theorie, irgendjemand in der Gewerkschaft ver.di wolle bei den Personalratswahlen die bislang mit 80 Prozent der Stimmen so erfolgreiche Konkurrenzliste von Berndt loswerden.
»Der Vorstand der Charité distanziert sich von den bekannt gewordenen politischen Äußerungen und Aktivitäten des gewählten Fakultätspersonalratsvorsitzenden Dr. Christoph Berndt zur Flüchtlingsthematik«, erklärte Pressesprecher Uwe Dolderer. Menschen aus 77 Nationen arbeiten Dolderer zufolge im Klinikum. Die Charité habe 2013 die Charta der Vielfalt unterzeichnet und sich damit verpflichtet, »ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen ist«.
Dazu passt natürlich nicht, was Christoph Berndt im Januar auf der Bühne einer Kundgebung in Lübbenau sagte. Wie der Sender »rbb« dokumentierte, fragte Christoph Berndt in Reaktion auf die Übergriffe am Kölner Hauptbahnhof: »Gibt es überhaupt noch einen öffentlichen Platz, der vor dieser durch die Regierung importierten Kriminalität sicher ist? Welche Frau kann sich noch ungezwungen bewegen, wenn auch nur in der Ferne eine Gruppe dunkelhaariger junger Männer auftaucht oder auch auftauchen könnte?«
Berndt wollte sich zunächst nicht zu den Anschuldigungen äußern - auch deshalb, weil er seine Chefposten im Personalrat und im Verein »Zukunft Heimat« fein säuberlich voneinander trennen möchte. Dem »nd« wurde nun aber eine Erklärung zugespielt, mit der sich Berndt im Intranet der Charité an seine Kollegen wandte. Er habe die »etwas problematische Ehre gehabt, Ziel einer beispiellosen Hetzkampagne zu sein«, schreibt Berndt. Er beteuert: »Ich bin kein Rassist, ich bin kein Hetzer und ich verachte meine Mitmenschen nicht.« Hätten die Vorwürfe Substanz, könnte beim Verwaltungsgericht sein Ausschluss aus dem Personalrat beantragt werden. Doch niemand habe ihm ihn zehn Jahren als Personalratschef eine diskriminierende Amtsführung vorgeworfen. Auf erneute Nachfrage zeigte sich Berndt am Mittwoch bereit, nun doch Stellung zu nehmen, jedoch ausdrücklich als Privatmann und Vereinsvorsitzender. Berndt bestritt dabei nicht, dass Rechtsextremisten an den Veranstaltungen des Vereins teilnehmen. Davon mochte er sich auch nicht distanzieren. Über dieses Stöckchen wolle er nicht springen, sagte er. Wenn diese Leute friedlich seien, dann könne und wolle er sie nicht ausschließen. Es sei eine Art Resozialisierung für Rechtsextreme. Linksextremisten könnten von ihm aus auch kommen, wenn sie nicht stören und sich mit den Zielen des Vereins identifizieren würden. »In meiner Sozialpolitik bin ich ein Linker«, behauptete Berndt. Er fügte hinzu: »Wir brauchen die solidarische Gemeinschaft, die der Nationalstaat schafft.« Grundsätzlich sei es richtig, Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen und ihnen temporär Schutz zu gewähren, räumte der Arzt ein. Doch durch die herrschende Asylpolitik und die massenhafte Einwanderung werde »die Grundlage unseres Zusammenlebens in Frage gestellt«.
Dass es eine Verbindung zum Magazin »Compact« gibt, bestätigte Berndt indirekt. Er verwies darauf, dass Peter Feist, der sich nach eigenen Angaben im Umfeld von »Compact« bewegt, bei einer Kundgebung von »Zukunft Heimat« in Lübben sprach. Feist begrüßte seine Zuhörer dort mit den Worten: »Liebe Spreewälder, Brandenburger, Deutsche! Unsere Heimat ist in Gefahr.« Chefredakteur von »Compact« ist der vormals linke, zum Rechtspopulisten gewendete Journalist Jürgen Elsässer.
Bei einer Demonstration am 30. April in Vetschau wurde ein Transparent mitgeführt, das auf die absurde rechte Verschwörungstheorie Bezug nimmt, die deutsche Bevölkerung solle durch Ausländer ersetzt werden. Auf dem Transparent stand über der Internetadresse zukunft-heimat.org: »Wenn eine Regierung ihr Volk austauschen will, muss das Volk seine Regierung austauschen.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.