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Ausbildungsplatzumlage: Roter Vorstoß für Fachkräfte in Berlin

Berlins Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) legt Gesetzesentwurf für Ausbildungsplatzumlage vor

Mechatronik-Ausbildung bei der Deutschen Bahn
Mechatronik-Ausbildung bei der Deutschen Bahn

Es ist eines der zentralen Vorhaben der schwarz-roten Koalition: Die betriebliche Ausbildung vom Abstellgleis befreien. Bei der Versorgung seiner Jugendlichen mit Ausbildungsplätzen liegt Berlin im Bundesvergleich auf dem letzten Platz. Zu wenige Unternehmen bilden aus. Gleichzeitig fehlen den Unternehmen laut einer Berechnung der Industrie- und Handelskammer (IHK) 90 000 Fachkräfte, Tendenz steigend.

Es scheint allerdings immer weniger realistisch, dass CDU und SPD das selbstgesteckte Ziel, die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im Land Berlin um 2000 zu erhöhen, erreichen werden. Für diesen Fall – auch das steht im Koalitionsvertrag – soll eine Ausbildungsplatzumlage eingeführt werden. Berlins Arbeits- und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) hat nun einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgestellt.

»Die Umlage bedeutet eine solidarische Umverteilung«, sagte Kiziltepe am Dienstag. »Wir möchten Unternehmen darin unterstützen, die Fachkräfte von morgen auszubilden.« Wer nicht ausbildet, dürfe auch nicht über Fachkräftemangel klagen, sagte Kiziltepe.

Konkret soll nach jetzigem Stand eine Ausbildungskasse von allen Unternehmen eine Abgabe einziehen. Unternehmen, die besetzte Ausbildungsplätze melden, bekommen dann aus dem so entstandenen Ausbildungsfonds Geld zurück.

Alle Pauschalen, die ausbildenden Arbeitgebern als Erstattung zufließen, bilden zusammen den Finanzbedarf, der über die Umlage eingenommen werden soll. Hierfür würde ein bestimmter Prozentsatz von der Bruttolohnsumme, die ein Arbeitgeber allen seinen Mitarbeiter*innen zahlt, eingezogen. Diese Abgabe läge je nach Gesamterstattungsbetrag, der den ausbildenden Unternehmen zufließt, bei 0,1 bis 0,4 Prozent.

Die eingezogenen Beiträge sollen zu 100 Prozent wieder ausgeschüttet werden. Der noch zu beziffernde Verwaltungsaufwand soll aus dem Haushalt beglichen werden. Ausnahmen sind für Unternehmen vorgesehen, die eine bestimmte Bruttolohnsumme unterschreiten und für einzeln nachzuweisende Härtefälle.

Tatsächlich hatte der Koalitionsvertrag vorgesehen, die Gesetzgebung noch vor der Sommerpause abzuschließen. Das prognostiziert die Senatorin nun für den Sommer 2026. Danach soll das Gesetz stufenweise in Kraft treten, wann genau ist noch offen. Die Senatsverwaltung habe jetzt erst einmal das frühe Beteiligungsverfahren begonnen.

Der Stadtstaat Bremen hatte 2023 eine Ausbildungsplatzumlage eingeführt. Der einzuziehende Betrag liegt bei 0,27 Prozent der Lohnsumme. Ausbildende Betriebe bekommen pro Jahr und besetztem Ausbildungsplatz 2250 Euro zurück. Nach Klagen von Unternehmensverbänden hatte der Bremer Staatsgerichtshof 2024 die Abgabe als rechtmäßig und verhältnismäßig beurteilt. »Den Arbeitgebern kommt die historisch gewachsene Aufgabe der Ausbildung zu«, begründete der Präsident des Gerichts das Urteil. Die noch junge Ausbildungsumlage in der Hansestadt lässt noch keine Aussagen darüber zu, ob sie tatsächlich zu mehr Ausbildungen beiträgt. In einigen Branchen, wie etwa in der Baubranche, gibt es schon länger tariflich vereinbarte Ausbildungsumlagen.

»Wir möchten Unternehmen darin unterstützen, die Fachkräfte von morgen auszubilden.«

Cansel Kiziltepe (SPD)
Senatorin für Arbeit und Soziales

Eigentlich wollten die Koalitionspartner von SPD und CDU bis Ende dieses Jahres die 2000 zusätzlichen Ausbildungsverhältnisse mit einem groß aufgesetzten Bündnis für Ausbildung erreichen. Referenzwert war der Beginn des Ausbildungsjahres 2023, als 34 853 Menschen in Ausbildung waren. Das Bündnis, ein Zusammenschluss aus Unternehmensverbänden, Gewerkschaften, Arbeitsagentur und Senat hatte sich auf einen 47 Maßnahmen starken Katalog verständigt.

Doch die Zeichen deuten in eine andere Richtung. Die Zahl der neugeschlossenen Ausbildungsverträge war zwischen 2023 und 2024 erneut zurückgegangen, um 0,3 Prozent. Das geht aus Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hervor, die auch das Bündnis für Ausbildung als maßgebend erachtet. Angesichts von 3700 Jugendlichen, die im vergangenen Jahr ohne Ausbildungsplatz geblieben sind und nur 10,9 Prozent der Unternehmen, die ausbilden, sprach Senatorin Kiziltepe von einer Schieflage. Die Senatsverwaltung bereite nun das Umlagen-Gesetz parallel zu den Bemühungen im Bündnis vor, um es für den Fall, dass die 2000-Plätze-Marke gerissen werde, ohne große Verzögerung im Abgeordnetenhaus abstimmen zu können.

Bereits kurz nach Bekanntwerden des Gesetzesvorhabens meldete sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zu Wort. »Es ist jetzt der falsche Zeitpunkt, eine Ausbildungsabgabe vorzubereiten, die die Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich belastet«, machte Wegner am Mittwoch deutlich. »Ich appelliere an alle Beteiligten, sich auf die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze zu konzentrieren.«

Verhaltener äußerte sich Wegners Parteikollege und Sprecher der CDU-Fraktion für Arbeit, Martin Pätzold. Gegenüber »nd« verwies Pätzold auf die Verabredungen im Koalitionsvertrag. Entscheidend sei die konkrete Ausgestaltung: »Wofür sollen die Mittel verwendet werden? Wie sollen sie erhoben werden? Welche Freigrenzen für Unternehmen wird es geben? Wie hoch wird die prozentuale Belastung sein?« Zu diesen Punkten müssten die Sozialpartner einbezogen werden, sagt Pätzold. Auch eine Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus sollte dazu stattfinden. Das sei klar. »Hier geht es eher um Gründlichkeit statt Schnelligkeit. Rechtliche wie inhaltliche Themen müssen jetzt im frühzeitigen Beteiligungsverfahren geklärt werden.« Allzu viel Zeit sollte der Prozess nicht in Anspruch nehmen. Im Herbst 2026 finden die Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt. Mit dem jetzt anvisierten Plan, das parlamentarische Verfahren bis zum Sommer 2026 abzuschließen, gibt es nach hinten raus nur wenig Spielraum.

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