Strahlende Zwischenlagermenschen

Regina Stötzel über atomares Messietum

  • Lesedauer: 2 Min.

Zuletzt outete sich Bodo Ramelow (LINKE), als er dieser Tage sagte, er gehe davon aus, dass die Thüringer Salzstöcke nicht als Endlager für Atommüll infrage kämen. Ein Sprecher von K+S tat es dem Ministerpräsidenten gleich, der meinte, dass so etwas in einer stillgelegten Kaligrube nicht vorstellbar sei. »In unseren Gruben«, so der Mann des Konzerns, der im hessisch-thüringischen Grenzgebiet schon einiges umgegraben hat, »schon gar nicht.« Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion in Sachsen, Thomas Colditz, hielt zuvor bereits die Granitformationen in seinem Bundesland für ein Endlager nicht geeignet. Dies hat er gemeinsam mit der bayerischen Umweltministerin Ulrike Scharf, die in ihrem Freistaat überhaupt gar kein Gestein für endlagertauglich erachtete. »Das gilt für Granit, Ton und Salz.«

Ein Schelm, wer gleich denkt, die Herren und die Dame wollten den gefährlichen Dreck nur nicht vor der eigenen Haustür haben! Tatsächlich haben sie sich lediglich als so genannte Zwischenlagermenschen entpuppt. Diese Spezies kennt Wolfgang Schmidbauer nur zu gut: »Sie lehnen die Öde, Langeweile und Routine ab, die darin liegt, Sachen gleich an den Ort des Endlagers zu transportieren«, schreibt der Psychotherapeut über Zwischenlagermenschen, von denen es in der Gegend um Gorleben nur so wimmelt. Im ruralen Wendland wurden im Laufe der Jahre sogar wiederholt Bauern gesichtet, die den Dung aus ihren Ställen nicht etwa an den vorgesehenen Endlagerplatz verbrachten, sondern vor Ministerien oder Atomanlagen zwischenlagerten. »So verwandelt sich Ordnung aus ständiger Plage mit Unwichtigem zur schöpferischen Geburt der Perfektion aus dem Chaos«, weiß der nd-Autor.

Sollten Sie selbst zu den Menschen gehören, die ihren Mist nicht gleich wegräumen, sondern in der Wohnung verteilen, machen Sie sich keine Vorwürfe. Sie haben bloß »kein entspanntes Verhältnis zur Bürokratie«. Das ist nur natürlich und weit verbreitet - bis in die hohe Politik.

Sogar eine vielköpfige Kommission von Endlagermenschen, die von höchster Stelle, nämlich der Bundesregierung, eingesetzt worden war, vermochte es nicht, den Prozess zur Beendigung des Zwischenlagerdaseins in Gang zu bringen. Sie hat nach jahrelanger Arbeit lediglich keine Art des Großreinemachens ausgeschlossen. Graben, Verscharren, Verstecken, Fegen, Wischen, Staubsaugen - das alles wird bis zum Sanktnimmerleinstag prokrastiniert. Und selbst dann soll der ganze Unrat wieder hervorzukramen sein! Dem atomaren Messietum sind nach wie vor keine Grenzen gesetzt. Wenn Sie dagegen von Zeit zu Zeit mal zu Hause aufräumen und durchfeudeln, stehen Sie im bundesdeutschen Zwischenlagermenschenvergleich wunderbar da.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.