Für den Rechtsfrieden, gegen den Sport
Triathleten beklagen Nichtnominierung für Olympia durch den DOSB
Eine Athletin klagt, eine andere schreibt Briefe an die Kanzlerin, und die Verantwortlichen wirken ratlos: Die Deutsche Triathlon Union (DTU) steckt in eine der schwersten Krisen ihrer 31-jährigen Geschichte. Auslöser war die Entscheidung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), nur Anne Haug zu den Olympischen Spielen nach Rio mitzunehmen und vier weitere Startplätze für die Triathlonrennen an der Copacabana verfallen zu lassen.
Derzeit weiß niemand so recht im Verband, wie es weitergeht. »Für unsere junge Sportart und speziell die olympische Kurzdistanz ist das in Deutschland ein großer Schaden«, kommentierte DTU-Präsident Martin Engelhardt den DOSB-Beschluss. Auch der Weltverband sei erschüttert gewesen, sagte er.
Zwei Triathletinnen wollen die DOSB-Entscheidung nicht tatenlos hinnehmen: Die zweimalige Juniorenweltmeisterin Laura Lindemann schrieb an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Thomas de Maiziére und ließ ihrem Frust über die Nicht-Berücksichtigung freien Lauf. Rebecca Robisch legte am Donnerstag über ihren Anwalt Michael Lehner einen Antrag auf Einstweilige Verfügung beim Landgericht Frankfurt am Main ein, um doch noch vom DOSB nominiert zu werden.
Dabei wird gerade die 28-Jährige von einigen ihrer Teamkollegen und innerhalb des Verbandes für die Situation verantwortlich gemacht. Robisch hatte beim Deutschen Sportschiedsgericht DIS erfolgreich geklagt, weil sie nicht auf der Vorschlagsliste der DTU gestanden hatte. Den Fall behandelte ausgerechnet die frühere DTU-Präsidentin Claudia Wisser, die einst im Unfrieden aus dem Amt gedrängt worden war.
Neben Haug und Lindemann hatte der Fachverband Anja Knapp bei den Frauen und die beiden Männer Steffen Justus und Gregor Buchholz vorgeschlagen. DTU-Cheftrainer Ralf Ebli und Bundestrainer Dan Lorang hatten teamtaktische Überlegungen für ihre Wahl von Lindemann und Knapp genannt. Die beiden sollten im Rennen Medaillenkandidatin Anne Haug helfen - eine auch bei anderen Triathlonnationen übliche Taktik. Doch gerade dieser Punkt wurde in der Urteilsbegründung kritisiert.
Nach ihrem Sieg beim DIS erweiterte der Verband am Montag zwangsläufig die Liste um Robisch und Hanna Philippin. Vor der Klage war nach Angaben von DTU-Vertretern signalisiert worden, dass die DTU-Vorschläge vom DOSB angenommen würden. Nach dem Urteil wollte die Dachorganisation offensichtlich nicht entscheiden, wer von den vier Frauen die beiden Plätze neben Haug in Rio einnehmen dürfen.
Anders als alle anderen vorgeschlagenen Athletinnen und Athleten war Haug aber auch die einzige, die die Qualifikationskriterien erfüllt hatte. »Der DOSB (Sportdeutschland) hat sich in unserem Fall gegen den Sport und für seinen Rechtsfrieden entschieden und ich finde das falsch!«, vermutete Lindemann bei Facebook.
Beim Hamburg-Triathlon, dem siebten von neun Saisonrennen der WM-Serie, stehen Lindemann und Robisch am Wochenende gemeinsam am Start. Anne Haug ist weiter im Höhentrainingslager in St. Moritz. Die Stimmung im Team ist gereizt. Daran dürfte auch nichts ändern, dass Robisch in ihrem Antragsschreiben zur Einstweiligen Verfügung gegen den DOSB betont hatte, ihr ginge es nicht nur um ihr Anliegen.
Den Ärger hätten sich die deutschen Triathleten mit Leistung ersparen können. Doch nach dem Wechsel von Olympiasieger Jan Frodeno 2013 auf die Langdistanzen und Rücktritten verdienter Triathleten ist nur die 33-jährige Anne Haug von internationalem Format.
Die Perspektiven sind eher düster. Bei den Männern fehlen große Talente, bei den Frauen hat die DTU immerhin in der 20-jährigen Lindemann und der 22-jährigen Sophia Saller zwei Sportlerinnen mit Potenzial. Und sollte Anne Haug in Rio nicht einen erhoffen Top-Platz schaffen, wird es für die DTU auch finanziell eng. Im neuen Konzept für den Spitzensport von Bundesinnenministerium und DOSB, das nach den Olympischen Spielen von Rio greifen soll, könnte es schwer für den Verband werden, Mittel zu bekommen. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.