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Flüchtlinge fördern, Einheimische nicht vergessen

»Gemeinsam Perspektiven eröffnen« - neue Ausbildungsinitiative des Landes bündelt Integrationsanstrengungen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Initiative zur Qualifizierung von Flüchtlingen haben am Montag Vertreter von Landespolitik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Kommunalverbänden vereinbart.

Das Motto »Gemeinsam Perspektiven eröffnen« mit Leben zu erfüllen, sei »kein Sprint, sondern ein Marathon«, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Berufsbildung von jugendlichen Flüchtlingen sei für beide Seiten schwierig. Die Flüchtlinge müssten diszipliniert mitarbeiten.

Im Potsdamer Oberstufenzentrum 1 gibt es bereits vier Flüchtlingsklassen, in denen durchschnittlich 19 Jugendliche auf die Berufsschulreife vorbereitet werden. Schüler, deren psychische Verfassung Schulleiter Larsen Hähle als »nicht stabil« bezeichnete. Aus rund einem Dutzend Ländern stammten sie, wobei Syrer den größten Anteil stellten, sagte Lehrerin Stefanie Ounis. Sie brächten ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit. Englisch oder Französisch komme als Lehrsprache nicht in Frage, zunächst behelfe man sich mit Händen und Füßen. Oft beeinflussten auch Heimweh und Elternverzicht bei den teils unbegleitet eingereisten Kindern den Unterricht.

Aus Sicht von Bildungsstaatssekretär Thomas Drescher sind Brandenburgs Oberstufenzentren die »geeignete Schulform«, um Flüchtlingskinder vor allem sprachlich auf ein Arbeitsleben in Deutschland vorzubereiten. Die ersten von ihnen könnten nach einem Jahr die Berufsschulreife erreichen. Die Hürden seien aber immens: Geeignete Sprachlehrer gebe es nicht mehr, eine europaweite Ausschreibung sei erfolglos geblieben. Viele der Jugendlichen müssten bei Schleusern hohe Schulden abzahlen und versuchten daher, nebenbei Geld zu verdienen. Ein besonderes Problem unter den Flüchtlingen seien die Analphabeten. Auch seien für ein effektives Lernen die Klassen zu groß, und es fehlten die notwendigen speziellen Lehrpläne.

Laut Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) gebe es Befürchtungen, dass motivierte Flüchtlinge Deutschen die Arbeit wegnehmen könnten. Andererseits gebe es Fälle, in denen brandenburgische Firmen ihre Aufträge überhaupt nur mit Arbeitskräften aus den Flüchtlingsheimen abarbeiten können. In diesem Zusammenhang warnte DGB-Landesbezirkschefin Doro Zinke vor einer »umgekehrten Neiddebatte«. Es müsse streng darauf geachtet werden, dass nicht durch billiger arbeitende Ausländer die Stimmung in der Belegschaft in riskante Bereiche gerate. Selbst im Bereich der Hartz-IV-Empfänger gebe es heute Ängste und »Konkurrenzbefürchtungen«. Robert Wüst, Präsident des Handwerkskammertages, warnte vor einer Wiederholung der Fehler der Vergangenheit. Früher habe man sich zu wenig um Integration bemüht. Das bestätigte Arbeitsministerin Diana Golze (LINKE). Früher habe man bei Gastarbeitern vielleicht nach 15 Jahren von Integration sprechen können. »Jede Maßnahme, die heute diese Frist verkürzt, ist willkommen.« Thomas Blasig vom Städte- und Gemeindebund erinnerte: »Als die Hugenotten nach Preußen kamen, waren sie vergleichsweise sehr gut ausgebildet. Dennoch hat die Integration drei Generationen gedauert.«

Ministerpräsident Woidke wies darauf hin, dass sich die Brandenburger nicht als abgehängt empfinden dürften. Wenn es Qualifizierungsprogramme geben, dann müssten die sich auch an deutsche Langzeitarbeitslose wenden, von denen es in Brandenburg viele gebe.

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