- In Bewegung
- Was tun gegen rechts?
AfD – weder islamkritisch noch Nazipartei
Wie sollen NGOs, Antifagruppen und linke Organisationen mit der rechtskonservativen AfD umgehen? Ignorieren, Gespräche führen, dämonisieren oder ihre politischen Auftritte bekämpfen? Die Antwort ist nicht so einfach. »Ignorieren« fruchtet nicht, weil sie massenhaft da ist und auf vielen politischen Kanälen zwitschert. »Gespräche führen« bereitet Unbehagen, wäre aber logisch, sofern man auch mit anderen Parteien redet. »Dämonisieren« ist eher Ausdruck einer eigenen analytischen Hilflosigkeit. Ihre »politischen Auftritte bekämpfen« ergibt Sinn, sofern man nicht gleichzeitig problemlos mit ultrakonservativen Islamverbänden in Bündnissen kooperiert.
Aus unserer Sicht sind dazu zwei Fragen zu klären: Wie islamkritisch ist die AfD? Und wie rechts bzw. wie weit außerhalb des deutschen Politikbetriebs ist die AfD?
Wie islamkritisch ist die AfD?
Im Parteiprogramm der AfD stehen Forderungen (vgl. Anmerkung am Ende des Artikels), die richtig und fast deckungsgleich mit denen sind, welche die Aktion 3. Welt Saar in ihrem Papier »Kriterien und Richtlinien für einen Dialog mit Islamverbänden und für Islamunterricht« formuliert hat.
Anders ausgedrückt: Etwas wird nicht bloß deshalb falsch, weil es auch die AfD sagt. Der Kontext, in den die AfD diese Aussagen stellt, offenbart jedoch eine Instrumentalisierung und Umdeutung von Islamkritik für menschenfeindliche Zwecke. Islamkritik ist kein Selbstzweck, sondern dient der Aufdeckung mit dem Islam gerechtfertigter Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse, als Voraussetzung für deren Überwindung. Sie richtet sich gegen Antisemitismus, gegen Frauenunterdrückung, gegen Homophobie. Die AfD hingegen wendet sich unter anderem gegen die Gleichberechtigung von Frauen, propagiert ein traditionell-patriarchales Familienbild und stellt sich gegen eine fortschrittliche Sexualerziehung. Nicht nur in dieser Hinsicht teilt sie die Vorstellungen ultrakonservativer Islamverbände.
Die Verbreitung ausgeprägt antisemitischer Auffassungen in der AfD, die denen islamischer Antisemiten nicht nachstehen, sorgte in den letzten Wochen für Schlagzeilen. Mit diesen Positionen steht die AfD in direktem Gegensatz zu einer aufgeklärten, emanzipatorischen Islamkritik. Untermauert wird dieser Gegensatz dadurch, dass die AfD sich auf ihrem Bundesparteitag gegen eine Unterstützung reformorientierter Muslime ausgesprochen hat. Sie folgte damit einem Antrag des Islamwissenschaftlers Hans-Thomas Tillschneider, Landtagsabgeordneter der AfD in Sachsen-Anhalt, der als sogenannter »Identitärer«, als Vertreter des rechten, ethnopluralistischen Flügels der Partei gegen jede Vermischung und »Verwässerung« verschiedener Kulturen eintritt und so etwas wie eine rechte Multikulti-Ideologie verficht. Diese Ideologie geht vor allem auf den französischen Vordenker der Neuen Rechten, Alain de Benoist, zurück. Aus Sicht der Ethnopluralisten hat jedes »Volk« eine spezifische Identität, die an eine spezifische Kultur, Religion, Sitten und Normen, an eine bestimmte Sprache und einen als angestammt betrachteten Siedlungsraum gebunden ist. Diese Identitäten gelten als natürlich und erhaltenswert. Für Tillschneider gehört der Islam, der als solcher reinzuhalten sei, nicht nach Deutschland und nach Europa, verdient aber in seinen Ursprungsländern vollen Respekt, wie er betont.
Für die AfD ist ihre vorgeschobene Islamkritik Ausdruck einer fremden- und flüchtlingsfeindlichen Politik. Die Partei tritt für eine drastische Verschärfung des Asylrechts ein, damit richtet sie sich nicht zuletzt gegen die Opfer der Islamisten. Für Islamkritiker kann die AfD keine Bündnispartnerin sein.
Die AfD bekennt sich vordergründig zur Religionsfreiheit auch für Muslime, doch erweist sich dies angesichts ihrer konkreten islampolitischen Vorschläge als bloßes Lippenbekenntnis. Wer, wie diese Partei, unter anderem ein generelles Minarettbauverbot fordert oder pauschal gegen die Einführung islamischen Religionsunterrichts ist, bedient antimuslimische Ressentiments und versucht, die Religionsfreiheit von Muslimen einzuschränken. Mit dem notwendigen Kampf gegen islamisch begründete Menschenrechtsverletzungen hat dies nichts zu tun. Wir stellen dabei Islam und Christentum nicht auf eine Stufe. So banal es klingt: Das Christentum hat im Gegensatz zum Islam eine Aufklärung durchlaufen, was eine weitgehende Säkularisierung bewirkt hat. Wir halten es für möglich, dass auch Linke dies verstehen.
Wie rechts ist die AfD?
Die AfD ist ein Sammelbecken unterschiedlicher rechter Strömungen, die nur zum Teil faschistisch sind. Der Alarmismus mancher NGOs und Antifagruppen, der sie in die Nähe der NSDAP rückt, verharmlost nicht nur den Nationalsozialismus, sondern verkennt, dass rassistische, fremden- und flüchtlingsfeindliche Positionen kein Alleinstellungsmerkmal der rechten Szene sind, sondern bis weit in die Mitte der Gesellschaft, sogar bis in das linke politische Spektrum, anzutreffen sind und die Politik der Bundesregierung und der etablierten Parteien einschließlich von Teilen der Partei Die LINKE prägen. Die AfD vertritt hier in allenfalls zugespitzter Form Auffassungen, die auch dort gang und gäbe sind. Die Abschottungspolitik der von Deutschland dominierten Festung Europa hat Zehntausende von Menschen an den europäischen Außengrenzen das Leben gekostet. Keine Opfer von rechten Anschlägen, sondern der »ganz normalen« Politik des Friedensnobelpreisträgers EU. Es ist die schwarz-rote Bundesregierung, die eine Asylrechtsverschärfung nach der anderen durchpeitscht. Die AfD zu ächten und auszugrenzen, während ein Großteil ihrer Forderungen bei Unionsparteien und SPD salonfähig ist, bedeutet das Anlegen doppelter Standards.
Dieselben Politiker und NGOs, für welche die AfD außerhalb jeden Dialogs steht, haben keine Berührungsängste gegenüber ultrakonservativen, partiell islamistischen Islamverbänden, die in wesentlichen Teilen mindestens so reaktionär sind wie die AfD. Beispielsweise gehörte bei der bundesweiten Menschenkette unter dem Motto »Hand in Hand gegen Rassismus« am 18. und 19. Juni 2016 neben ProAsyl, DGB und anderen NGOs der ultrakonservative Zentralrat der Muslime zum Trägerkreis. Im Zentralrat sammeln sich auch Islamisten von den Muslimbrüdern und eine Abspaltung der faschistischen türkischen Grauen Wölfe.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat im Landtagswahlkampf Fernsehdiskussionen mit der AfD abgelehnt. Mit dem erzkonservativen größten Islamverband in Deutschland, DITIB, der »Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion«, hat sie sich hingegen demonstrativ öffentlich getroffen. Dieser Verband wird gelenkt vom türkischen Religionsministerium und gehört zu den Vereinen, die hierzulande die Interessen des islamistisch regierten türkischen Staates und Erdogans vertreten. Was angesichts der autoritären Politik der Türkei, der Massaker an Kurden, der Abschiebung syrischer Flüchtlinge zurück in den Bürgerkrieg, der Verfolgung kritischer Journalisten, der türkischen Amokläufe wegen des Böhmermann-Gedichts und der Armenienresolution des Bundestages an DITIB dialogwürdiger sein soll als an der AfD, bedürfte noch einer Erklärung. In einer Reihe von Bundesländern darf dieser Verband sogar islamischen Religionsunterricht ausrichten, während liberale Muslime außen vor bleiben.
Damit bestreiten wir nicht, dass es in SPD, CDU, Linkspartei und Grünen Leute gibt, die sich der restriktiven Flüchtlingspolitik und der Anbiederung an die Islamverbände entgegenstellen. Aber sie bestimmen nicht den Kurs der Regierungspolitik.
Bezeichnend ist auch, dass im Juni 2016 in Köln eine Podiumsdiskussion gesprengt wurde, weil dort der AfD-Politiker Konrad Adam auftreten sollte. Organisiert war die Veranstaltung im Rahmen des Birlikte-Festivals, dessen Anliegen die Solidarität mit Opfern der NSU-Anschläge und rechter Gewalt ist. Nun gibt es gute Gründe, die Einladung eines Rechten aufs Podium einer erklärtermaßen antirassistischen Veranstaltung zu kritisieren und den Veranstaltern bei seiner Ausladung behilflich zu sein. Allerdings hatten die Initiatoren des Protestes – vor allem der Antifa AK Köln – kein Problem damit, dass die Kölner DITIB-Moschee direkt in das Birlikte-Bündnis einbezogen ist und damit ein Ableger des reaktionären türkischen Staatsislam an prominenter Stelle beteiligt ist, während Adam lediglich Gast war und sich auf dem Podium mit AfD-Gegnern hätte herumschlagen müssen.
Fazit
Wir haben nicht für jeden konkreten Einzelfall in jeder konkreten Region Deutschlands das allein seligmachende politische Rezept zum Umgang mit der AfD. Zwei Standards können zur Orientierung dienen:
1. Wer mit ultrakonservativen Islamverbänden (DITIB, Zentralrat der Muslime, Islamrat und ihren regionalen Ablegern) kooperiert, legt doppelte Standards an, wenn er oder sie gegen Gespräche mit der AfD ist. Es ist die von vielen NGOs praktizierte Simulation von Politik. Wer in der Lage ist und sich dafür entscheidet (!), die Perspektive der Opfer einzunehmen, lässt das freundliche Miteinander mit Islamverbänden sein und besteht auf der Einhaltung der Menschenrechte.
2. Sofern man mit anderen Parteien im deutschen Politikbetrieb wie Grüne, Linke, SPD, CDU, FDP redet, kann man auch mit der AfD reden. Zumindest theoretisch. Warum »zumindest theoretisch«? Weil wir keine Lust haben, mit den Unsympathen und tendenziellen Rassisten und Antisemiten der AfD zu reden.
Die Autoren sind Mitarbeiter der Aktion 3. Welt Saar e.V.. Einer von ihnen ist Fußballfan, der andere ist Klassikliebhaber. Beide sind Fleischesser, essen aber auch gerne Gemüse.
Anmerkung
Die oben erwähnten Forderungen aus dem AfD-Parteiprogramm lauten z.B.: »Religionskritik, auch Kritik am Islam, ist im Rahmen der allgemeinen Gesetze rechtmäßig als Teil des Grundrechts der freien Meinungsäußerung. Religiöse Satire und Karikaturen sind ebenfalls von der Meinungs- und Kunstfreiheit geschützt.«, »Die Finanzierung des Baus und Betriebs von Moscheen durch islamische Staaten oder ausländische Geldgeber bzw. ihre Mittelsmänner soll unterbunden werden. Islamische Staaten wollen durch den Bau und Betrieb von Moscheen den Islam in Deutschland verbreiten und ihre Macht vergrößern. Die wachsende Einflussnahme des islamischen Auslands ist mit dem freiheitlichen Verfassungsstaat und der Integration von hier lebenden Muslimen nicht vereinbar.«, »Die AfD fordert ein allgemeines Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Dienst. Burka oder Niqab errichten eine Barriere zwischen der Trägerin und ihrer Umwelt und erschweren damit die kulturelle Integration und das Zusammenleben in der Gesellschaft. Ein Verbot ist daher notwendig und nach einem Urteil des EuGH rechtmäßig. Im öffentlichen Dienst soll kein Kopftuch getragen werden; in Bildungseinrichtungen weder von Lehrerinnen noch Schülerinnen in Anlehnung an das französische Modell. Der Integration und Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen sowie der freien Entfaltung der Persönlichkeit widerspricht das Kopftuch als religiös-politisches Zeichen der Unterordnung von muslimischen Frauen unter den Mann.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.