Berlin - »quick and dirty«
Paul Spies hat Visionen, das ist sein Job, dafür hat man ihn von Amsterdam nach Berlin geholt. In seiner Antrittsrede als Direktor des Berliner Stadtmuseums im Februar verkündete er, er würde im Juli ein Konzept für die Berlin-Etage im künftigen Humboldtforum vorlegen und gleich noch einen Masterplan für das Berliner Stadtmuseum mitliefern. Nun, er ist pünktlich, und eins steht nach der Präsentation seiner Ideen am Montag im Märkischen Museum fest: In den fünf Berliner Stadtmuseen wird nicht nur einmal feucht durchgewischt, Spies will entrümpeln, neu ordnen, bauen, umgestalten. Sein Slogan heißt »Superdiversity«, meint so was wie e pluribus unum, Berlins Museen als Katalysator der verschiedenen Stadtidentitäten. Das Märkische Museum sagt er, werde schon bald zum »must see« für jeden Berliner und erst recht für Touristen.
Neil MacGregor, dem Gründungsintendant des Humboldtforums, setzt er mit seinen beiden Masterplänen ganz nebenbei noch die Pistole auf die Brust. Denn der hat angekündigt, zusammen mit Mitstreiter Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, im November ein Gesamtkonzept vorstellen zu wollen.
Im Humboldtforum, das 2019 eröffnen soll, wird sich die Stadt auf 4000 Quadratmetern als Weltmetropole inszenieren, sagt Spies und das »quick and dirty«. In 45 Minuten sollen die Besucher des Humboldtforums einmal durch die Geschichte Berlins gelaufen sein, nicht chronologisch, das wäre anachronistisch, sondern thematisch geordnet und partizipativ, überhaupt ein Wort, das Spies, egal worum es geht, gerne gebraucht. »Wir lassen Offenheit für Gedanken und Diskussionen.« Und so haben die Besucher neun Ausstellungsräume lang Zeit, sich etwas zu überlegen, was sie hinterher im »Partizipationsbereich«, in der Mitte der Ausstellungsfläche angesiedelt, beisteuern wollen. Sie beginnen im Raum »Berlin-Bilder«, weiter zum Thema »Revolution«, hin zu »Freiräume«, wo der innerstädtische Kampf um Platz für Kreativität gezeigt werden soll, über »Grenzen«, »Mode«, »Migration« bis zum »Weltdenken«. Den eigenartigsten Übergang schafft wohl der Raum »Vergnügen« (Berlin als Partymetropole), von wo aus man in den Raum »Krieg« gelangt. Das also sind die Brüche, die Raum für Gedanken geben sollen. »Nichts ist Geschichte und bleibt Geschichte. Alles hat mit dem Jetzt zu tun«, sagt Spies. Knapp elf Millionen Euro wird die Berlin-Ausstellung im Humboldtforum kosten.
Was die Nabelschau im Humboldtforum auf die große Bühne hebt, sollen künftig die fünf Spielstätten des Stadtmuseums im Kleinen leisten. Dazu gehören neben dem Kernstück Märkisches Museum auch das Knoblauchhaus, die Nikolaikirche, das Ephraim-Palais und das Museumsdorf Düppel. Zumindest Letzteres ist selbst Berlinern eher unbekannt. Auch hier soll gelten: Weg vom Schaukasten, hin zum digitalen Storytelling. Die 4,5 Millionen Ausstellungsstücke sollen im Laufe der nächsten Jahre digitalisiert und mehr Platz für Sonderschauen geschaffen werden. Das marode Marinehaus gegenüber vom Märkischen Museum will Spies reaktivieren. Hier sollen Werkstätten und Räume für Berliner Kulturschaffende entstehen, das Haus zum »Stadtlabor« werden. Jetzt fehlen nur noch die Menschen, die mitmachen.
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