Ost nähert sich West
In zwei Schritten sollen die Renten angeglichen werden
Schon der Eiertanz des Bundesarbeitsministeriums ließ nichts Gutes erahnen. Erst dementierte man am vergangenen Freitag einen Bericht der »Sächsischen Zeitung«, die über ein Konzept des Ministeriums berichtete, wonach die Angleichung der Ost-Renten an das höhere Westniveau in zwei Schritten bis 2020 erfolgen solle. Ein Sprecher von Ressortleiterin Andrea Nahles (SPD) sagte dieser Zeitung, dass es »noch keine endgültige Festlegung auf ein konkretes Modell« gebe. Noch am Mittwoch hieß es in den Agenturen, ein fertiger Entwurf für das Gesetz liege immer noch nicht vor.
Dann am Donnerstag die Überraschung: Während eines Besuchs in Schwerin nannte die Ministerin die geplante Renteneinheit »einen wichtigen Schritt« und räumte gleichzeitig ein, dass mit der geplanten Angleichung der Ostrenten aufs Westniveau bis 2020 auch Verluste für künftige Ostrentner einhergehen. Betonte aber: »Die größte Ungerechtigkeit ist es, auf Dauer gesehen, wenn es unterschiedliches Rentenrecht in Ost und West gibt.« Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sekundierte: »Es ist keine rein materielle Frage, es geht auch um Augenhöhe, um Respekt vor den ostdeutschen Lebensleistungen.«
Zwar blieb Nahles am Donnerstag vage, doch wie »nd« aus Regierungskreisen erfuhr, soll die Ministerin bereits am Mittwoch den Entwurf für ein »Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz« an das Kanzleramt übermittelt haben. Demnach soll mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahr 2020 auch die Renteneinheit hergestellt sein. Weil aber eine vollständige Angleichung »ohne zusätzliche Anpassungsschritte bis 2020 aller Voraussicht nach nicht erreicht werden« kann, plädiert die Ministerin für ein »zweistufiges Anpassungsverfahren«, wie aus dem internen Papier hervorgeht, das »nd« vorliegt.
Die Angleichung soll in zwei Schritten erfolgen: Erstmals soll der Rentenwert Ost zum 1. Januar 2018 »um 50 Prozent des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Unterschieds zum aktuellen Rentenwert West angehoben werden«. Zudem werden die weiteren Rechengrößen Ost, wie Bezugsgröße und Beitragsbemessungsgrenze, ebenfalls »um 50 Prozent des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Unterschiedes zu den jeweiligen Werten der alten Bundesländer angehoben«. Der Hochwertungsfaktor der Entgelte, der die niedrigeren Ost-Durchschnittslöhne derzeit kompensiert, »wird entsprechend abgesenkt«.
Der finale Akt soll laut Papier zum 1. Januar 2020 vollzogen werden. Der Rentenwert Ost wird dann auf den Westwert angehoben. Zum Vergleich: Derzeit liegt der Rentenwert Ost bei 28,66 Euro, in den alten Ländern beträgt er 30,45 Euro. Die Angleichung soll mit insgesamt 5,7 Milliarden Euro zu Buche schlagen.
»Dies ist eine gute Investition in die Vollendung der Deutschen Einheit«, meint man im Ministerium. Wobei Investition das falsche Wort ist, schließlich erfolgt die Finanzierung aus der Rentenkasse. Rund vier Millionen Rentner würden profitieren.
Doch nicht alle teilen die Euphorie. Der Grund findet sich im Papier selbst: »Die Hochwertung der Entgelte Ost entfällt.« Ungefähr sechs Millionen Arbeitnehmer im Osten müssen damit rechnen, durch das Ende der künstlichen Aufwertung später weniger Rente zu erhalten. Noch immer verdienen Ostdeutsche im Schnitt rund 17 Prozent weniger. Um das auszugleichen, wird der Rentenwert Ost mit 1,14 multipliziert.
Weil diese Lohndifferenz besteht, enthält der Koalitionsvertrag, der eine einen »Fahrplan zur vollständigen Angleichung« vorsieht, eine Einschränkung: »Wenn die Lohn und Gehaltsangleichung weiter fortgeschritten sein wird, erfolgt in einem letzten Schritt die vollständige Angleichung«, steht dort geschrieben. Offenbar will man nicht mehr abwarten und zieht die Angleichung einfach vor.
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