US-Zerstörer mit Kurs auf Ukraine
Moskau besorgt über Wettrüsten im Schwarzen Meer
Der US-Zerstörer »Ross« hat am Freitag Kurs auf die Ukraine genommen. Wie das US-Docklandungsschiff »Whidbey Island« wird auch er die Meerengen der Dardanellen und des Bosporus passieren. Beide Schiffe der US Navy nehmen an der internationalen Militärübung »Sea Breeze« 2016 teil.
Derartige Manöver, die seit 1997 im Schwarzen Meer stattfinden, waren einst sogar Bestandteil vertrauensbildender Maßnahmen im Rahmen der Partnerschaft Russland-NATO. Gemeinsam übten die Allianz und Anrainer, die nicht Mitglied sind, zunächst die Abwehr realer Bedrohungen: Terrorismus und damals vor allem Piraterie. Auch Russland beteiligte sich 1998 mit drei Schiffen.
Die diesjährigen Manöver hingegen versteht Moskau als eine Provokation. Für »Sea Breeze« 2016 und »Sea Shield«, das fast zeitgleich vor den Küsten Rumänien stattfand, hat die NATO im Nordwestteil des Schwarzen Meeres rund 4000 Soldaten, 25 Kampfschiffe, Schnellboote und Versorgungsschiffe, Fliegerkräfte und Kampftechnik des Heeres zusammengezogen. Mit von der Partie sind sogar Nichtanrainer und die Staaten Schweden, Finnland und Moldawien, die der NATO nicht angehören.
Geübt wird wie schon bei Manövern des Heeres in der Ukraine unmittelbar vor dem NATO-Gipfel in Warschau die Abwehr eines realen Angreifers. Was man sich darunter konkret vorzustellen hat, erklärte ein Sprecher der ukrainischen Marine russischen Medien: »Niederschlagung eines aus dem Ausland unterstützten Aufstandes von Separatisten.« Zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung sehe das Szenario Kampfhandlungen auf dem »fiktiven Gebiet eines fiktiven Staates« vor. Dazu gehörten die Besetzung des Küstenstreifens und strategisch wichtiger Objekte.
Das passe auf die Krim, die für den Westen nach wie vor zur Ukraine gehöre schreibt die Moskauer »Nesawissimaja Gaseta«. Zwar bestehe für die Halbinsel keine Gefahr. Das Drehbuch werde auf dem Gebiet der Ukraine und in deren Gewässern abgearbeitet - allerdings unmittelbar vor der Küste der Krim.
Eine neue Runde des Wettrüstens im Schwarzen Meer sei unvermeidlich, glauben kritische Beobachter. In der Tat: Weil internationales Recht die Verweildauer von Schiffen aus Nichtanrainerstaaten auf 21 Tage beschränkt, müssen die Anrainer die Hauptlast bei der geplanten ständigen NATO-Präsenz in dem Gewässer, einschließlich schneller Eingreiftruppe, bewältigten.
Die USA müssen zudem Milliarden investieren, um die Ukraine und Georgien zur Seemacht hochzurüsten. Kiew verfügt derzeit nur über Uralt-Schrott aus der Konkursmasse der Sowjetunion: Ganze fünf Korvetten und eine einzige Fregatte. Weil die für die Übung in Rumänien gebraucht wurde, startete die aktive Phase von »Sea Breeze« verspätet. Georgien ist zurzeit sogar ohne Marine. Den Großteil der Schiffe versenkte Russland beim Krieg 2008 im Hafen von Poti, der Rest wurde dem Küstenschutz unterstellt. Auch Rumänien und Bulgarien sind technisch wie personell weit entfernt davon, die Wellen zu beherrschen. Und ob die Türkei, die schon bei »Sea Breeze« auf Sparmodus umschaltete, im Boot bleibt, ist aus russischer Sicht offen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.