Pride mit Sicherheit
Hunderttausende ziehen zum Christopher Street Day durch die westliche Innenstadt
Dragqueens tanzen, Techno dröhnt aus Lautsprechern, Regenbogenfahnen flattern im Wind: Es ist Christopher Street Day (CSD) in der Hauptstadt. Am vergangenen Samstag zogen rund 750 000 Menschen durch die City West, um für mehr Toleranz und gleiche Rechte von Schwulen, Lesben, Bi-, Inter- und Transsexuellen zu demonstrieren. Der Umzug startete traditionell am Kranzler Eck, Kürfürstendamm, und führte über den Nollendorfplatz und die Straße des 17. Juni bis vor das Brandenburger Tor. Dort empfing das Pride Village die Teilnehmer mit Informationsständen und einer Bühne, auf der bis in den späten Abend musikalische Acts dem Publikum einheizten.
»Der CSD ist ein Zeichen der Lebensfreude, aber wir dürfen auch die politische Dimension nicht vergessen«, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). »Wir gemeinsam müssen uns dafür engagieren, dass diese Stadt und unser Zusammenleben wirklich ein offenes, tolerantes und freies Zusammenleben ist.«
Das diesjährige Motto des Umzugs, der zum 38. Mal stattfand, lautete: »Danke für nix!« Damit wollten die Organisatoren auf die immer noch bestehenden Ungleichbehandlungen unter anderem von schwulen und lesbischen Paaren bei der Ehe und im Adoptionsrecht aufmerksam machen. Weitere Forderungen waren das Bleiberecht für Geflüchtete, die in ihren Heimatländern wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden, sowie die Rehabilitierung der Männer, die nach dem ehemaligen »Schwulen-Paragrafen« 175 verurteilt worden waren.
Unter den 21 Fußgruppen und 51 Wagen war erstmals auch der Berliner Fußballverband mit einem eigenen Umzugswagen vertreten. Auch mehrere Botschaften, darunter die der USA, Israels und Sloweniens, beteiligten sich an der Parade.
Die Veranstaltung fand dieses Jahr unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Nach dem Amoklauf in München am vergangenen Freitag war zunächst unklar, ob die CSD-Parade überhaupt stattfinden würde. Man entschied sich dafür, stockte die Polizeikräfte aber noch einmal auf, hieß es aus Polizeikreisen. Nach dem Attentat von Orlando auf einen vor allem bei Schwulen und Lesben beliebten Nachtclub hatten Veranstalter und Polizei ohnehin ein strenges Sicherheitskonzept erarbeitet.
Unter den Teilnehmern der CSD-Parade herrschte die Meinung vor, dass man sich in seiner Lebensweise trotz der schlimmen Ereignisse nicht einschränken wolle. »Ich glaube, dass wir als Queere eine Aufgabe haben, auf die wir mehr als stolz sein können: Solidarität mit den Unterdrückten zu üben. Also mit all denen, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder ihres Geschlechts Verachtung und Hass ausgesetzt sind«, sagt Armin Langer. Der 25-Jährige ist Begründer der Salaam-Schalom-Initiative, die sich für eine Verständigung zwischen Juden und Muslimen einsetzt und in den Religionsgemeinschaften für Toleranz gegenüber Schwulen, Lesben und Transpersonen wirbt. Jedes Jahr kommt er zum CSD, sagt Langer. Gerade jetzt müsse man doch Flagge zeigen.
Mit der CSD-Parade ging die sogenannte Pride Week zu Ende. Bereits am Freitag hatten Hunderte beim »Dyke March Berlin« für mehr lesbisches Selbstbewusstsein demonstriert. Zudem fand in der St. Marienkirche am Alexanderplatz ein interreligiöser Gottesdienst statt, bei dem christliche, jüdische und muslimische Geistliche für gesellschaftliche Toleranz und Zusammenhalt warben.
Am Abend griffen drei Männer einen 21-Jährigen an, als er von einer CSD-Veranstaltung kam. Das Opfer erlitt Verletzungen am Kopf und an den Armen. Das Trio flüchtete.
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