Schön im Schutt
Die TV-Serie »Quantico« sorgt sich mehr um das Erscheinungsbild als um die Inhalte
Da liegt sie nun inmitten der Trümmer, fern des Laufstegs, fern also auch von Make-up, Haarspray, Visagisten - und doch strahlend schön: Priyanka Chopra. Sechs Jahre vor einem fiktionalen Terroranschlag auf New Yorks Grand Central Station wurde die indische Bollywood-Queen zur Miss World gekrönt; jetzt entsteigt ihre Hauptfigur der Polizeiverschwörungsactionserie »Quantico« nach einem Terroranschlag dem qualmenden Überrest des Bahnhofs und siehe da - die Frisur sitzt, der Lippenstift auch, Alex Parrish sieht super aus, auch wenn ringsum alles brennt.
Weil das in etwa die Quintessenz des amerikanischen Serienfernsehens generell ist, prägt es also auch diesen US-Export für Pro7, Deutschlands wichtigstem Fernsehimporteur derartiger Produkte: In Hollywood wird der Nachwuchs noch so robuster Berufe nie nach Qualitäten wie geistiger und physischer Fitness, sondern zunächst mal optisch rekrutiert. Kein Wunder, dass es Chopra alias Parrish ins Ausbildungslager des FBI in Quantico gebracht hat; schließlich sehen alle Azubis aus, als hätten sie sich in der Tür zum Model-Casting geirrt.
Das ist in seiner hochglänzenden Berechenbarkeit nur noch lachhaft, aber bekanntlich ein zentrales Wirkprinzip international verkäuflicher Serien vor medizinischem, juristischem, polizeilichem Hintergrund. Dabei ist der auch in diesem Fall gar nicht unspannend: Auf dem Weg zur Bundespolizeischule trifft die (schöne) Alex den (schönen) Simon und vernascht ihn im Auto, bevor sich beide im Kreise (schöner) Mitschüler bei der Begrüßung durch die (schöne) Schulleiterin wiedertreffen. In Zwischeneinblendungen sitzt die schöne Alex jedoch nicht nur im Unterricht, sondern ganz schön in der Scheiße, da sie den erwähnten Trümmern des Attentats unverletzt entsteigt und nicht nur deshalb verdächtigt wird, es selbst begangen zu haben. So beginnt ein beliebtes Thrillerspiel: Agentin auf der Flucht vor ihrerseits verdächtigen Kollegen, um in den elf Doppelfolgen der ersten Staffel die eigene Unschuld zu beweisen.
Dank üppiger Budgets ist das aufwändig produziert, mit ansehnlichen Effekten versehen und voller Überraschungsmomente, die zwar gern unlogisch, aber - wie im Cliffhanger der Pilotfolge - unterhaltsam sind. Wäre da nicht die obsessive Oberflächlichkeit. So integer es auch ist, dass Farbige Leitungsfunktionen übernehmen, Schwule offen schwul sein und eine Muslima mit Kopftuch dabei sein dürfen - jeder dramaturgische Twist verschwindet hinter der Optik selbstverliebter Makellosigkeit.
Stets ein Hemdknopf überm Dekolletee zu viel geöffnet, überzuckert dabei besonders die handwerklich limitierte Priyanka Chopra alles mit Schmollmund, der selbst in Schutt und Asche nie hautfarbig um Küsse bettelt. »Sie hatten keinen Kratzer, können also erst nach der Explosion an den Tatort gekommen sein«, wirft ihr ein Ermittler vor. Er kennt offenbar nicht die Präambel im Grundgesetz amerikanischer Polizeiserien: Kratzer haben nur die Bösen.
Ab 27. Juli, 20.15 Uhr, Pro7
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