Lotsen sollen für Streik büßen

Gewerkschaft der Flugsicherung muss nach Urteil des Bundesarbeitsgerichts für Einbußen bei der Fraport AG haften

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Urteil ist für die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) ein Schock. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass die Lotsenvertreter Schadensersatz für einen mehrtägigen Streik am Frankfurter Flughafen Schadenersatz zahlen müssen. Die Bundesrichter gaben im Gegensatz zu den Vorinstanzen einer Schadenersatzklage des Flughafenbetreibers Fraport statt. Der verlangt wegen Einnahmeverlusten durch ausgefallene Flüge 5,2 Millionen Euro von der Lotsengewerkschaft. Die Höhe der Schadenersatzzahlungen muss das hessische Landesarbeitsgericht festlegen. Die Zahlung dürfte für die Spartengewerkschaft, die bundesweit nur knapp 4000 Mitglieder vertritt, einen harten Einschnitt bedeuten. Geklagt hatten auch die Fluggesellschaften Lufthansa und Air Berlin, die insgesamt neun Millionen Euro forderten.

Das Urteil ist wegweisend für andere Gewerkschaften, denn es regelt die Grundsatzfrage, wann Arbeitnehmervertreter für Folgeschäden eines Streiks haften müssen, mithin wie hoch ihr finanzielles Risiko bei einer Arbeitsniederlegung ausfällt.

Ursache des Rechtsstreits war ein mehrtägiger Streik der Vorfeldlotsen am Frankfurter Flughafen während eines Tarifkonflikts im Februar 2012. Über 1600 Flüge fielen deshalb aus.

Dieser Streik war nach Ansicht der der Kläger - und dem BAG - rechtswidrig. Die Fluggesellschaften und Fraport AG warfen der Gewerkschaft vor, mit dem Streik den Grundsatz der Friedenspflicht und der Verhältnismäßigkeit verletzt zu haben. Ersteres ist der Fall, wenn gestreikt wird, obwohl ein Tarifvertrag noch nicht ausgelaufen oder gekündigt ist. Im konkreten Fall bestand unter anderem Uneinigkeit darüber, ob Teile des im Jahr 2007 beschlossenen Bezirkstarifvertrages durch die Gewerkschaft rechtmäßig und rechtzeitig gekündigt worden waren. Die Kläger warfen der GdF vor, dass der Streik unter anderem zur Durchsetzung von Forderungen genutzt worden sei, die in dem noch laufenden Tarifvertrag geregelt waren und daher der Friedenspflicht unterlagen. Das sahen zwar auch die Arbeitsgerichte in Hessen so, das Landesarbeitsgericht argumentierte jedoch in seinem Urteil: »Die Klage der Fraport AG wurde abgewiesen, weil die Streiks keinen anderen Verlauf genommen hätten und der Schaden kein anderer gewesen wäre, wenn mit dem Streik ausschließlich rechtmäßige Streikziele verfolgt worden wären.« Das BAG revidierte diese Einschätzung nun.

Anwälte der GdF hatten während der Verhandlung am Bundesarbeitsgericht davor gewarnt, das Streikrisiko für Gewerkschaften zu erhöhen. »Es sollte nicht sein, dass man für eine relativ nebensächliche Forderung, die möglicherweise rechtlich angreifbar ist, ein hohes Risiko bei Streiks eingehen muss«, sagte Anwalt Dirk Vogelsang.

Zum zweiten Mal wurde mit dem Urteil auch höchstrichterlich die Frage geklärt, ob Fluggesellschaften, die zwar nicht direkt bestreikt werden, aber trotzdem Einbußen erleiden, Anspruch auf Schadensersatz haben. Direktes Streikziel war nach Einschätzung der Vorinstanzen nur die Fraport AG. Däubler sagte daher im Vorfeld der Verhandlung: »Ich wundere mich, warum die Fluggesellschaften klagen. Sie haben keinen Anspruch, weil sie nur mittelbar Geschädigte sind. Das ist nach dem Bundesarbeitsgerichtsurteil vor einem Jahr eigentlich klar.« Im August 2015 scheiterten fünf Fluggesellschaften vor dem Bundesarbeitsgericht mit einer solchen Klage - ebenfalls gegen die GdF. Das Bundesarbeitsgericht folgte der vorherigen Entscheidung und lehnte die Forderungen der Fluggesellschaften ab.

Urteile zum Streikrecht sind auch deshalb von großer Bedeutung für die Gewerkschaften, weil es sich bei diesem Thema um Richterrecht handelt, also kaum gesetzliche Vorgaben existieren. Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing meint deshalb, dass die Bedeutung der Rechtsprechung steige, gerade jetzt, da wieder mehr gestreikt werde. Mit Agenturen

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