Keine heiteren Spiele

  • Lesedauer: 2 Min.

Von zwei historischen Vorbildern hat sich Eduardo Paes leiten lassen: Rio de Janeiro um die Wende zum 20. Jahrhundert und Barcelona vor den Olympischen Spielen 1992. Von 1902 bis 1906 amtierte Francisco Pereira Passos in dem Amt, das seit 2009 Paes innehat: Bürgermeister von Rio. Und ähnlich radikal wie Pereira Passos damals die Stadt umgestaltete mit dem großen Vorbild Weltstadt Paris, treibt Paes den Stadtumbau voran. Das Vorbild ist jedoch nicht mehr Paris, sondern Barcelona. Dort wurde die Idee, die Stadt dem Meer zu öffnen, eines der Grundelemente des Projekts Barcelona 92 - der Stadtmodernisierung im Zuge von Olympia 1992. Zum Meer muss Rio zwar nicht geöffnet werden, aber Gründe, die Hafengegend zu überholen, wie es Barcelona vorgemacht hat, gibt es auch in Rio de Janeiro.

Paes von der Mitte-Rechts-Partei PMDB bemüht im Zuge seiner Stadtentwicklung den Begriff Revitalisierung und übersieht dabei, dass Lebende dafür einen hohen Preis zahlen müssen. Zum Herzstück der Spiele wurde zum Beispiel Barra de Tijuca auserkoren, jener westliche Stadtteil, der seit Ende der 60er Jahre für die obere Mittelschicht ausgebaut wurde, in dem aber auch die Vila Autódromo liegt, eine vor fast 30 Jahren am Rande einer stillgelegten Rennstrecke illegal entstandene Siedlung, die rund 3000 Menschen beherbergte. In den achtziger Jahren bekamen die Bewohner Wohnrecht, die Siedlung wurde legal. Jetzt musste sie größtenteils Olympia weichen, unter anderem für eine Straße zum Olympia-Medienzentrum. Unter Eduardo Paes mussten für die olympischen Traumwelten im ganzen Stadtgebiet mehr als 77 000 Menschen ihre Häuser und Hütten verlassen. Teils gab es Entschädigungen, teils nicht, belohnt wurden die, die schnell wichen, viele wurden zwangsevakuiert.

Rio de Janeiro, die Cidade Maravilhosa (die »wundervolle Stadt«), produziert wie ihre Bewohner*innen, die Cariocas, alles andere als nur wundervolle Bilder. Es gibt in Rio nicht nur Zuckerhut, Christus-Statue und Caipirinha, sondern auch Armut, Verdrängung und jede Menge Verlierer*innen der Spiele, diejenigen, die die Langzeitfolgen von Fußballweltmeisterschaft und Olympia tragen müssen. Bei Bürgermeister Paes kommen sie nicht vor, in der öffentlichen Wahrnehmung Rios nur am Rande. Diese Wahrnehmung zu verändern, ist ein Anliegen der Fotograf*innen, deren Fotos diese Seite schmücken. Martin Ling

Unter folgendem Link finden sie den Bildband als pdf-Datei: dasND.de/rioaufdemspiel

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -