Die Fans als Dynamos
Dresden erkämpft spätes Remis gegen Nürnberg
Die Szenerie nach dem Schlusspfiff hatte auf dem ersten Blick etwas Widersprüchliches. Da feierten die Fans von Dynamo Dresden das späte Unentschieden gegen den 1. FC Nürnberg, besangen und beklatschten den ersten Zweitligapunkt seit mehr als zwei Jahren - doch nicht alle Spieler konnten sofort mitfeiern. Einige lagen sogar auf dem Rasen, mit Schmerzen und Krämpfen in den Beinen. Die Erschöpfung war ihnen bereits nach dem ersten Saisonspiel deutlich anzumerken.
Man musste jedoch nicht Gedanken lesen können, um zu erahnen, dass sie sich zumindest innerlich freuten. Denn wenige Minuten zuvor hatte Dynamos Mittelstürmer Pascal Testroet in beinahe letzter Sekunde das 1:1 für die Gastgeber erzielt, nachdem die Nürnberger kurz vor der Halbzeitpause durch einen verwandelten Foulelfmeter von Guido Burgstaller zunächst in Führung gegangen waren. Das Kämpfen, das Beißen und das Anrennen hatte sich gelohnt, wodurch die Schmerzen erträglicher waren.
Dieses Tor in der vierten Minute der Nachspielzeit - für den Aufsteiger der erste Schritt zum Klassenerhalt - zeigte zudem, auf welche zwei Pferde dieser beim Rennen um die Tabellenplätze setzen wird. Erstens: auf Einsatz, Leidenschaft und Kampf bis zum Krampf. »Wir haben nicht fehlerfrei gespielt, hatten zwei, drei unglückliche Ballverluste«, sagte Dresdens Trainer Uwe Neuhaus, »aber die Mannschaft hat immer an sich geglaubt, alles nach vorn geworfen und am Ende die Brechstange herausgeholt.« Auch Nürnbergs Coach Alois Schwartz attestierte den Sachsen »viel Emotion, viel Leidenschaft«. So weit, so gewöhnlich für einen Liganeuling.
Das Besondere ist das zweite Pferd: die Fans. Mehr als bei jedem anderen Aufsteiger spielen in Dresden die Emotionen auf den Rängen eine große Rolle, um die Mannschaft auch in scheinbar aussichtslosen Situationen nach vorn zu treiben. Bereits die Partie gegen Nürnberg war mit 29 453 Zuschauern fast ausverkauft. Und es zeichnet sich ab, dass auch die kommenden Heimspiele vor vollen Tribünen ausgetragen werden: Erstmals in der Vereinsgeschichte hat Dynamo den Verkauf von Dauerkarten bei der Marke 17 000 gestoppt. Weil jedes Mitglied zudem das Vorkaufsrecht für zwei Tickets hat, werden für Fans, die keine Mitglieder sind, wohl nur Restkontingente übrig bleiben.
Nun muss das nicht nur Gutes heißen, schließlich gibt es um die schwarz-gelbe Anhängerschaft immer wieder Negativschlagzeilen. Mehrfach haben Dresdner Fans mit Pyrotechnik auf sich aufmerksam gemacht und dem Verein hohe Geldstrafen eingebrockt. Außerdem gelten Teile der Anhänger als Unterstützer der islamfeindlichen Pegida-Bewegung, gewaltbereite Hooligans und Neonazis. Beim Spiel gegen Nürnberg blieb jedoch neben dem Platz alles ruhig.
Auf dem Platz zeigte Dresden ohnehin eine tolle Vorstellung. Eine Vermisstenanzeige für Torjäger Justin Eilers, der vergangene Saison mit 23 Treffern maßgeblich am Aufstieg beteiligt war und nun ablösefrei in die erste Bundesliga zu Werder Bremen wechselte, müssen sie nicht aufgeben. Bereits zum Auftakt bewies Pascal Testroet, dass er ein guter Ersatz für Eilers sein kann. Was Uwe Neuhaus dazu verleitet, sogar mehr als den Klassenerhalt als Saisonziel anzustreben: »Das wäre einfach gewesen und das hätte mir auch jeder abgenommen. Mir ist es wichtig, dass jeder Woche für Woche ans Limit geht. Trotzdem kann es Rückschläge geben, aber auch die werden wir verkraften«, hatte er bereits im Vorfeld des Nürnberg-Spiels gesagt - und darf sich nach dem verdienten 1:1 gegen einen der Ligafavoriten bestätigt fühlen.
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