Eine Teilnahme mit Symbolkraft
Ibtihaj Muhammad ist die erste US-Athletin bei Olympia mit Kopftuch- ihre Medaillenchancen sind eher gering
Für einige wenige Athleten bei Olympia ist es unbedeutend, wie sie abschneiden - zur Berühmtheit werden sie sowieso. Bei den Spielen von Paris im Jahr 1900 trat die schweizerische Seglerin Hélène de Pourtalès als erste Frau bei einem Wettkampf an. Auch vor ihrem Gewinn der Goldmedaille war sie Gesprächsthema. Vor vier Jahren in London schrieb der südafrikanische 400-Meter-Läufer Oscar Pistorius Geschichte, weil er als erster amputierter Athlet mitlief. Dass er nicht einmal den Finallauf erreichte, war egal. Sein Gesicht prangte überlebensgroß als Werbeplakat an Häuserwänden.
Auch für die aktuellen Spiele von Rio gibt es so eine Sensation. Sie heißt Ibtihaj Muhammad, ist Fechterin und wird wahrscheinlich keine Medaille nachhause bringen.
Was die Frau spektakulär macht, ist ihre Kombination aus Namen, Aussehen und Herkunft. Die US-Amerikanerin Muhammad ist die erste Athletin ihres Landes, die mit Kopftuch antritt. Während in ihrer Heimat seit Jahren von diversen Seiten gegen den Islam gewettert wird, repräsentiert ausgerechnet sie bei Olympia die Nation, die sich eigentlich als Land der Freiheit feiert. Dass Ibtihaj Muhammad damit schon eine historische Figur ist, erklärte die 30-Jährige vor Beginn der Spiele auch unverhohlen selbst: »Es ist ein großer Moment für das Team USA, jetzt noch vielfältiger zu sein als zuvor. Und ich freue mich darauf, mich selbst, meine Gemeinschaft und mein Land zu vertreten.«
Zum Problem könnte die aufkommende rassistische Stimmung innerhalb der USA werden. Im Herbst wählen die USA einen neuen Präsidenten und der republikanische Kandidat Donald Trump macht mit islamfeindlichen Parolen Stimmung. Beispielsweise wirbt er für ein vorsorgliches Einreiseverbot für Muslime, Racial Profiling durch die Polizei oder eine Datenbank, die Muslime erfassen soll. Die Athletin gibt sich abgeklärt: »Als ich die Trump-Äußerungen zum ersten Mal hörte, war meine größte Sorge, ob ich die Qualifikation für die Sommerspiele schaffe.« Angst vor Leuten, die gegen ihren Glauben hetzen oder gar gewalttätig werden könnten, habe sie nicht gehabt.
Aber dass Ibtihaj Muhammad nicht von allen als gute Amerikanerin gesehen wird, merkt sie auch im Alltag. Nach den Schießereien von San Bernardino und Orlando vor einigen Wochen wurde Muhammad auf der Straße angesprochen, dass sie verdächtig aussehe, und ob sie vielleicht gerade einen Anschlag plane. Die New Yorkerin hätte durch ihre Lebensgeschichte beruhigen können: Sie ist Absolventin der Eliteuniversität Duke und Unternehmerin mit Mode für moderne muslimische Frauen. Seit einigen Jahren ist sie Mitglied der Nationalmannschaft im Fechten. Sogar Präsident Barack Obama lobte Muhammad als Vorbild der muslimischen Gemeinde im Land.
Was aber, wenn im Herbst Donald Trump zu Obamas Nachfolger gewählt wird? Ibtihaj Muhammad stünde damit gleich auf der Seite der erklärten Feinde. »Trump ist ein Faschist, der eine Plattform für seinen Hass braucht«, hat sie in einem Interview gesagt. Während Rassismus zuletzt salonfähig wurde, werden Figuren wie Ibtihaj Muhammad von Gegnern Trumps als Beweis dafür verwendet, dass die USA auch heute noch für eine offene Gesellschaft stehen. Nur ist gerade Fechten ein Sport, in dem Athleten, sobald sie ihre Kleidung samt Helm tragen, ihr Aussehen besser verstecken können als in jeder anderen Disziplin.
So kam auch Ibtihaj Muhammad zum Fechten. Die Mutter sah in einem Schaufenster Fechtanzüge. Da diese fast alle Körperteile verdeckten, gab es bei dieser Variante keine Konflikte mit dem Glauben im Elternhaus. Die junge Ibtihaj Muhammad fand Gefallen am Kampf mit dem Schwert. Für Rio de Janeiro hat sie zum ersten Mal die Qualifikation geschafft. Am Freitagabend lief sie mit Kopftuch und dem US-amerikanischen Trainingsanzug ins Olympiastadion ein. Am Montag tritt Muhammad im Einzel mit dem Säbel an, einige Tage später auch im Teamwettbewerb.
Wie das ausgeht, ist wichtig für ihre Stellung in ihrem Land sowie die der Muslime überhaupt. Gelingt ihr doch ein Medaillengewinn, würden die Hetzer wohl schnell kleinlaut werden, da auch eine Kopftuchträgerin Punkte für den Medaillenspiegel bringt. Unabhängig davon forderte die britische Tageszeitung »Guardian«, Muhammad hätte die Fahnenträgerin der USA werden sollen. Das US-Magazin »Time« stufte sie schon als eine der hundert einflussreichsten Personen der Welt ein.
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