Internationalisierung als letzte Option

ArbeiterInnen der Schuhfabrik Bata in Mexiko kämpften fünf Jahre hartnäckig für eine Abfindung nach der Schließung ihres Werks

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Steine auf der Zufahrt und die beiden Baracken vor dem Haupteingang zur Schuhfabrik Sandak-Bata im mexikanischen Bundesstaat Tlaxcala sind abgeräumt, nur ein, zwei Transparente zeugen noch von einem der längsten Arbeitskämpfe der mexikanischen Geschichte. »Fünf Jahre haben wir gegen unsere unrechtmäßige Entlassung gestreikt und protestiert. Am letzten Sonntag haben wir unseren Erfolg mit unseren Unterstützern endlich gefeiert«, erklärt Epifanio García Carrillo, Sekretär für Arbeit der Gewerkschaft der Schuhfabrik Sandak (SUTCS).

Die gehört zu den ältesten Arbeitgebern in Calpulalpan, einer Provinzstadt von 45 000 Einwohnern im Bundesstaat Tlaxcala. Nur knapp eine Fahrtstunde von Mexikos Hauptstadt entfernt befindet sich die Fabrik, wo einst rund vierhundert Menschen Schuhe produzierten und wo bis zum Juli 2011 rund 250 Arbeiterinnen und Arbeiter tätig waren.

Unter ihnen Epifanio García Carrillo, der sich noch genau erinnert, wie ab dem Jahr 2010 Maschinen antransportiert wurde und der Arbeitsdruck erhöht wurde. »Es ging darum, Kosten zu senken und die Löhne zu reduzieren. Doch da hat die Gewerkschaft nicht mitgespielt«, erklärt der 48-jährige Familienvater. Er hat zwei erwachsene, studierende Töchter und ohne die Unterstützung von anderen Gewerkschaften wäre er während des fünfjährigen Streiks nicht über die Runden gekommen. Gleiches gilt für die 59 KollegInnen, die bis zum Schluss durchhielten und nun eine Abfindung und auch einen Teil des Lohns erhalten, der in den fünf Jahren des Streiks aufgelaufen ist. »55 Prozent werden es sein«, erklärt der Gewerkschafter mit vor Freude vibrierender Stimme. Dafür hat Epifanio García Carrillo fünf Jahre gerackert, angespornt, organisiert - und er ist in die Schweiz geflogen.

In der Zentrale der Industriearbeitergewerkschaft IndustrieALL in Genf war er, hat mit der Schweizer Gewerkschaft UNIA, die die Bata-Arbeiter vertritt, gesprochen. Von den Verantwortlichen des Schuhkonzerns Bata, der in Lausanne seinen Sitz hat, wurde er nicht empfangen. Allerdings hat García Carrillo einige Interviews gegeben, die publiziert wurden, und das hat dem weltweit agierenden Schuhkonzern, der 5200 Geschäfte in 70 Ländern unterhält, nicht gepasst. »Das Image war in Gefahr und das hat dazu geführt, dass der Vizepräsident der Firma, Tim Jude, schließlich nach Mexiko kam, um den Konflikt beizulegen«, so Enrique Gómez, Berater der streikenden Gewerkschafter und selbst Arbeitsrechtsspezialist. Gómez war es, der den Kollegen von Sandak-Bata half, ihnen einen erfahrenen Arbeitsrechtsanwalt vermittelte und Kontakte zu anderen Gewerkschaften knüpfte, die ähnliche Arbeitskonflikte hinter sich haben und die Genossen finanziell unterstützten.

Die Belegschaft des ehemaligen Continental Reifenwerkes in Guadalajara, die 2005 nach drei Jahren Streik gegen die illegale Entlassung das Werk zur Hälfte übernahm und es heute mit einem US-amerikanischen Partner führt, ist ein Beispiel. »Sie haben meine Reise in die Schweiz erst ermöglicht und die war schließlich der Durchbruch«, so Epifanio García Carrillo. Die Reise war letztlich Anlass dafür, dass Tim Jude im Juli persönlich den Kompromiss zur Beilegung des Konflikts aushandelte. Zusätzlich zu den 55 Prozent des Lohnes erhalten die ArbeiterInnen weitere Zuschläge.

Ein voller Erfolg für die Gewerkschaft (SUTCS), die wegen ihres Widerstands von den lokalen Behörden kriminalisiert wurde. Neun Monate saß der SUTCS-Generalsekretär wegen Aufruhr im Gefängnis, sein Vertreter García Carrillo mehrere Tage. Auch ein Grund, weshalb er nicht zurück in die Fabrikarbeit will: »Ich will beratend im sozialen Bereich arbeiten, nicht mehr an der Maschine«, erklärt er, und das liegt auch daran, dass er genau weiß, dass in Calpulalpan gut bezahlte Arbeitsplätze rar sind. »Die Schuhproduktion hier ist in die Freihandelszone abgewandert, da wird mies bezahlt und Gewerkschaften sind unerwünscht«, sagt er missbilligend.

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