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Boateng zum Fußballer des Jahres gewählt

Bayern Münchens erhellt die meisten Stimmen bei Abstimmung unter Sportjournalisten

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München. Jérôme Boateng reagierte verblüfft. Mit der Wahl zu Deutschlands »Fußballer des Jahres« hatte der Weltmeister »überhaupt nicht gerechnet«. Abwehrspieler stehen bei derartigen Auszeichnungen gewöhnlich im Schatten der Offensivstars und Torjäger, aber der herausragende Verteidiger der deutschen Nationalmannschaft und des FC Bayern München setzte die Regel für 2016 außer Kraft. »Natürlich bin ich unglaublich stolz, dass ich so etwas erreichen konnte«, erklärte Boateng in einem Interview mit dem Fachmagazin »Kicker«, das die Wahl seit 1960 unter Deutschlands Sportjournalisten durchführt.

Die Auszeichnung rückte den verletzten Boateng am Tag des Supercup-Endspiels zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern doch noch in den Fokus. Und sie dürfte den Vollblutfußballer, der sich im verlorenen EM-Halbfinale gegen Frankreich einen Muskelbündelriss im rechten Oberschenkel zugezogen hatte, im Aufbautraining zusätzlich motivieren. »Ohne Fußball fehlt etwas Riesiges in meinem Leben«, gestand Boateng. Sein Comeback ist für Anfang September geplant.

Mit 163 Stimmen übertraf der Abwehrhüne seine Bayern-Kollegen Thomas Müller (95) und Robert Lewandowski (90) deutlich. Boateng ist Nachfolger des früheren Wolfsburgers Kevin De Bruyne und der erste Verteidiger seit Jürgen Kohler 1997, der die Wahl gewinnen konnte.

Boateng ist ein würdiger Gewinner. Und seine Wahl kommt zu einem spannenden Zeitpunkt. Nach dem Rücktritt von Nationalspieler Bastian Schweinsteiger muss Bundestrainer Joachim Löw Ende des Monats einen neuen Kapitän bestimmen. »Ich weiß, dass ich das gerne machen würde und es zu mir passt«, erklärte der 27 Jahre alte Boateng, »aber es gibt auch andere tolle Spieler, die das machen können.«

Der 65-malige Nationalspieler zählt zum Kandidatenkreis. Als Favorit gilt aber sein Bayern-Kollege Manuel Neuer. Boatengs Ernennung wäre auch ein politisches Signal, gerade nach den verbalen Anfeindungen des AfD-Politikers Alexander Gauland in diesem Sommer. Das weiß auch Boateng selbst: »Natürlich wäre es ein Zeichen. Es wäre eine große Ehre, als erster Farbiger in Deutschland so ein Amt zu bekleiden. Das wäre schon aussagekräftig.« Boatengs Vater stammt aus Ghana.

Beim Bundestrainer genießt der Weltmeister eine hohe Wertschätzung. »Jérôme gehört zu unseren Führungsspielern und nimmt diese Rolle auch an«, äußerte Löw während der EURO. In Frankreich zählte Boateng zu den Leistungsträgern. Er erzielte beim 3:0 gegen die Slowakei sein erstes Länderspieltor. Und die Führungsrolle übte Boateng besonders aus, als er während und nach dem 0:0 im Gruppenspiel gegen Polen seine Teamkollegen aufrüttelte und mehr Willenskraft anmahnte.

Löw tadelte Kritiker Boateng danach nicht, sondern er unterstützte ihn sogar. »Ich habe ihn vor dem Turnier nochmals aufgefordert, mehr zu sprechen, sich zu exponieren. Er ist angesehen, weil jeder weiß, dass er ein Weltklasse-Innenverteidiger ist und nicht nur defensiv, sondern auch offensiv viele Impulse gibt«, begründete Löw.

Die interne Anerkennung dokumentierte Kollege Thomas Müller. Er titulierte Boateng wegen seiner bemerkenswerten langen Pässe in der Spieleröffnung augenzwinkernd einmal als »Kaiser« - in Anspielung an die Spielkünste der einstigen Lichtgestalt Franz Beckenbauer.

Boateng benötigte einige Jahre, um zum Weltklasseverteidiger zu reifen. Der Modellathlet musste auf dem Platz lernen, seine Kraft und sein Temperament zu zügeln, gewagte Grätschen zu unterlassen. Der abseits des Platzes so sanfte Riese durchlief die Jugendabteilungen von Hertha BSC. Mit seinen Halbbrüdern Kevin-Prince und George holte er sich als Jugendlicher die nötige Härte in einem Fußballkäfig in Berlin-Wedding. 2011 kam der Vater von Zwillingstöchtern über den Hamburger SV und Manchester City zum FC Bayern. Der Rekordmeister hat den Weltklasseverteidiger schon vor dessen Wahl zum »Fußballer des Jahres« langfristig bis 2021 vertraglich an sich gebunden.

Den Titel als Trainer des Jahres gewann Dirk Schuster für seine bemerkenswerte Arbeit beim Bundesligaaufsteiger Darmstadt 98. Der neue Augsburg-Coach setzte sich mit 256 Stimmen vor Dortmunds Trainer Thomas Tuchel (134) und dem ehemaligen Bayern-Coach Pep Guardiola (54) durch. Bundestrainer Löw (19) landete auf Platz sechs.

Zur Fußballerin des Jahres wurde Alexandra Popp (109) vom VfL Wolfsburg gewählt, die akuell bei den Olympischen Spielen in Rio die mit der Nationalmannschaft die Goldmedaille anpeilt. Die 25-Jährige siegte vor Mandy Islacker (1. FFC Frankfurt/63) und Melanie Behringer (Bayern München/42). dpa/nd

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