Ernte beschert Bauern ein Minus
Agrarministerium und Landesbauernverband ziehen eine durchwachsene Bilanz
»Die diesjährige Ernte war eigentlich gar nicht so schlecht«, sagte Henrik Wendorff, der Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg (LBV), als er am Freitag eine erste Bilanz des Erntesommers zog. Der Verband hatte aus diesem Anlass gemeinsam mit dem Agrarministerium auf den Bauernhof der Familie Puhlmann in Beerfelde, einem Ortsteil von Steinhöfel (Oder-Spree) geladen. Beerfelde ist am 10. September Gastgeber des diesjährigen Brandenburger Dorf- und Erntefestes.
Wendorffs Bilanz klang nur bis zum ersten Luftholen positiv: Man sei nach dem sehr guten Ergebnis von 2015 in diesem Jahr leicht unter dem langjährigen Durchschnitt geblieben. Gerade bei Getreide gebe es aber immer große Ertragsschwankungen - witterungsbedingt und wegen der leichten Böden. Im Großen und Ganzen sei man mit Ertrag und Erntemengen nur wenig unter dem Vorjahresniveau. »Mit einer Ausnahme: Bei Raps haben wir einen deutlichen Einbruch zu verzeichnen. Der Raps hat den Landwirten in diesem Jahr große Sorgen bereitet.«
Die Rapsernte ist um 25 Prozent unter dem Vorjahresergebnis geblieben. Die Gründe sieht der Verband vor allem im Witterungsverlauf und im Schädlingsbefall, wobei Wendorff vor allem auf den Rapserdfloh, der bereits im Herbst die Wurzeln schädigt, und die Kohlfliege hinwies. Besonders im April und Mai sei es verbreitet viel zu trocken gewesen. Raps habe aber - zumal bei einem auskömmlichen Preis - einen bedeutenden Anteil an der Wertschöpfung. Doch auch die Erzeugerpreise seien gesunken. Bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße mit 240 Hektar Ackerland und einem Rapsanteil von vielleicht 30 Hektar kämen nun schnell Einkommensverluste von 30 000 Euro zusammen. »Das ist ein schmerzlicher Einschnitt.«
Die märkischen Landwirte sind alles andere als zufrieden, konstatiert der LBV. »Betrachtet man nur die vier anbaustärksten Druschkulturen, haben Brandenburgs Bauern insgesamt 111 Millionen Euro weniger einnehmen können als 2015. Im Vorjahr lagen die Erzeugerpreise noch um zehn bis 15 Prozent höher.«
Wendorff wies immer wieder darauf hin, dass Auswirkungen der Witterungsschwankungen alle 5600 Agrarbetriebe im Land treffen, jedoch die Unterschiede beispielsweise bei der Menge oder Dauer der Niederschläge oder der Sonneneinstrahlung nicht nur vor Landkreis zu Landkreis, sondern auch von Ort zu Ort ganz beträchtlich sein können. So sei es auch zu erklären, dass der Landkreis Elbe-Elster ausgerechnet in dieser Saison eine Getreideernte eingefahren habe, die weit über dem Durchschnitt der Vorjahre liege.
Sorge macht dem LBV-Präsidenten die anhalten Talfahrt der Preise. »Dieser erneute Preisverfall macht die harte Arbeit unserer Bauern nachträglich ein Stück weit zunichte«, sagte er in Beerfelde. »Sollte diese Entwicklung sich fortsetzen, sind ohne Zweifel Existenzen bedroht.«
Keinen wirklichen Ausweg sieht Wendorff offenbar im Ökolandbau, der die Ernte mit der gleichen Tendenz beendet habe. »Im Ökolandbau gibt es zwar recht stabile Erzeugerpreise«, sagte er. Besonders bei Winterroggen sieht es in diesem Jahr schlecht aus: Die Hektarerträge rutschen hier erstmals wieder unter zwei tonnen im Landesdurchschnitt. Der Ökolandbau sei wie überall von der Witterung behindert worden, aber auch von »Spätverunkrautung und Durchwuchs«.
Etwa 20 Prozent des Getreides steht noch auf dem Halm - auf rund 90 000 Hektar. Regen, kalte Witterung und wenige Sonne haben in den letzten Tagen die Arbeiten Behindert. »In den zurückliegendn Wochen hat es nach den kühlen Nächten an jedem Morgen Tau auf den Feldern gegeben«, so Wendorff. Man sei sechs bis zehn Tage hinter dem Zeitplan und hoffe auf die angekündigte Wetterbesserung.
Agrarstaatssekretärin Carolin Schilde verwies auf die immense Bedeutung der Landwirtschaft als Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber aber nicht zuletzt auch für die Erhaltung der Kulturlandschaft und der Umwelt sowie für den Naturschutz hinwies. Brandenburg sei mit 2,95 Millionen Hektar Fläche das fünfgrößte Bundesland und in Ostland das größte. Die Landwirtschaftsbetriebe bewirtschafteten neben 300 000 Hektar Grünland insgesamt rund eine Million Hektar Ackerland. Dabei betonte sie auch die Leistungen der Masse der konventionell arbeitenden Agrarbetriebe im Land. Ökolandbau sei wichtig, sagte die Staatssekretärin. »Doch im Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft holen die Biobauern nur den halb so großen Ertrag vom Feld.« Und sie stärkte allen Erzeugern den Rücken, indem sie sich an die Verbraucher wandte: »Landwirtschaft ist viel Arbeit und Mühe, und gute Qualität hat ihren Preis«, sagte sie. Ausdrücklich erteilte Schilde der »Billig«- und »Geiz ist geil«-Mentalität eine Absage.
Gastgeber Jörg Puhlmann ist mit der Ernte nicht unzufrieden. Sein Hof bewirtschaftet um Beerfelde herum etwa 600 Hektar Fläche. Die Erträge seien eingedenk der Wetterschwankungen »durchschnittlich«, sagte er. Quer durch alle Sorten habe er 60 Doppelzentner Getreide pro Hektar eingefahren, bei Lupine seien es rund 28 Doppelzentner. Das sei alles noch im Limit. Viel größere Sorgen bereitet ihm ein anderes Thema: Milch! Auf dem Hof der »Puhlmann GbR« stehen rund 140 Milchkühe und etliche Färsen. Der Milchpreis liege derzeit bei nur noch 20 Cent pro Liter und werde inzwischen fast täglich neu verhandelt. »Das ist richtig hartes Brot«, sagte Jörg Puhlmann. Der Preis sinke, doch die zu leistende Arbeit bleibe gleich. »Die Verbraucher entscheiden beim Griff ins Regal mit ihrer Wahl für Produkte von hier über den Fortbestand unserer Höfe.«
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