80 Millionen oder was?
Uwe Kalbe über Zuwanderung und den Boden, auf den sie fällt
Wir sind 80 Millionen, singt Max Giesinger. Sein Ohrwurm bedient eine überholte Vorstellung. Abgesehen davon, dass das mit der Fußball-EM-Hymne suggerierte »Wir« eine Illusion ist - sind wir nur noch 73,8 Millionen. Die Zahl der Deutschen (laut Pass) sank binnen eines Jahres um weitere 0,2 Prozent. Für Ökonomen ist die jüngste Einwohnerstatistik deshalb eher Grund zur Freude. Die Zahl von insgesamt 82,2 Millionen Einwohnern mit ihren deutschen und ausländischen Anteilen lässt darauf bauen, dass Deutschlands Wirtschaftskreisläufe wie geölt rundlaufen, seine Sozialsysteme weiter funktionieren. Dies ist jedoch ein allein demografisch begründeter Optimismus. Die jüngste Statistik fällt mitten hinein in eine Debatte über die Identität dieses Landes, in der sie flugs zwischen den unvereinbaren Positionen zerschlissen werden dürfte.
Realpolitik schafft derweil die Fakten. Es ist schon klar, dass das Tempo der Zuwanderung ein statistischer Ausreißer war und sich so nicht wiederholen wird; die Flüchtlingszahlen haben sich auf 16 000 Menschen pro Monat reduziert. Auch die 2015 gezählten Flüchtlinge werden längst nicht alle bleiben, daran arbeitet das Bundesamt für Migration hart. Wie immer die Debatte ausgeht, Chancen oder Gefahren beschworen werden - die Frage wird wohl erneut verschoben. Wie viele »wir« nun eigentlich sind.
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