Besser unsozial
Regina Stötzel zu Merkels »Wir schaffen das« vor einem Jahr
Beliebt macht man sich hierzulande mit großen unsozialen Projekten. Die Durchsetzung der Austeritätspolitik in der EU, die Griechenland und andere Staaten unter den Sparmaßnahmen ächzen lässt, brachte Angela Merkel allenfalls die Kritik ein, die klaren Worte ihren Ministern überlassen zu haben.
Ihre Äußerung der Zuversicht hinsichtlich eines großen sozialen Projekts - der nicht nur formalen Integration von vielen Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten -, hat Angela Merkel dagegen einiges an Beliebtheit gekostet. Statt ihres »Wir schaffen das« hört man offenbar lieber die Seehofers, Gabriels oder Wagenknechts, die sagen, was man alles nicht schaffen kann oder nicht schaffen will.
Merkels wiederholt geäußerter Satz schadet ihr selbst jetzt noch, obwohl nur mehr wenige Flüchtlinge Deutschland erreichen. Wo auf der Balkanroute die Zäune nicht hoch genug sind, wird noch aufgestockt, auf der Fluchtversuchsroute Mittelmeer sterben wieder Tausende. Der Deal mit der Türkei steht bislang trotz allem und Frontex bereitet sich bestens auf mögliche »Krisen« in Form von hilfesuchenden Menschen vor. Selbst Frank-Jürgen Weise ist zuversichtlich, dass seine Behörden die Arbeit bewältigen werden. Wir schaffen das, könnte man also sagen.
Wenn der Wille da wäre. Aber der fehlt schon für das größte soziale Projekt - den derzeitigen Bewohnern mit oder ohne deutschen Pass gute Bildung, Arbeit und Wohnungen zu verschaffen. Damit will sich die Regierung nicht unbeliebt machen.
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