Dreyer in Turbulenzen?
Beraterfirma wirft Malu Dreyer vor, beim Flughafenverkauf Druck ausgeübt zu haben
Im Thriller um die Zukunft des defizitären Regionalflughafens Hahn (Hunsrück) muss sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer gegen neue Vorwürfe verteidigen. So war die SPD-Politikerin dem Vernehmen nach im Frühjahr stärker in die Vorgänge um den geplatzten Verkauf involviert als bisher zugegeben. Dies berichtete die »Mainzer Allgemeine Zeitung« (AZ) am Dienstag unter Berufung auf ein ihr vorliegendes Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG.
Demnach habe die von der Landesregierung mit der Begleitung des Verkaufsprozesses an die dubiose chinesische Firma Shanghai Yiqian Trading (SYT) beauftragte KPMG am 21. Juli vergeblich beantragt, von der vereinbarten Schweigepflicht entbunden zu werden. Die Landesregierung habe angesichts der »zunehmend angespannten Liquiditätssituation« des Flughafenbetreibers auf einen raschen Abschluss gedrängt und dabei »hoch ambitionierte zeitliche Vorgaben gesetzt und wichtige Empfehlungen und Warnhinweise ignoriert«, so das KPMG-Schreiben.
Dabei habe das Innenministerium »entsprechend der Vorgabe der Staatskanzlei« auf einen Beurkundungstermin Ende Mai gedrängt, obwohl noch wichtige Dokumente über SYT wie Rechtsgutachten, Integritätsbericht und Liquiditätsnachweis gefehlt hätten. Auch habe das Land »aus eigenem Antrieb bewusst auf eine Bankbürgschaft zur Sicherung des Kaufpreises« verzichtet. Demgegenüber hätten die Prüfer im Mai der Regierung empfohlen, angesichts von Ungereimtheiten und Zweifeln über die Zuverlässigkeit und Seriosität von SYT den Verkaufsprozess auf Eis zu legen, so die AZ. Dreyer habe dennoch weiter bis Ende Juni den geplanten Deal verteidigt. Die Regierungschefin bestreitet die Vorwürfe. Es habe »zu keinem Zeitpunkt eine Terminvorgabe seitens der Staatskanzlei« gegeben, erklärte sie am Dienstag. Sie wies auch zurück, dass die rot-gelb-grüne Landesregierung Warnungen der Berater ignoriert habe. »Das will ich ganz klar dementieren.« Es sei klar gewesen, dass es zu keiner Vertragsunterzeichnung kommen werde, wenn nicht alle Voraussetzungen vorlägen.
Die neuerliche Publikation könnte einen Versuch von KPMG darstellen, in der Hahn-Affäre »aus dem Schneider« zu kommen und den »Schwarzen Peter« an die Landesregierung und Dreyer persönlich weiter zu reichen. Bisher war vor allem der jahrelang für den Flughafen zuständige Innenminister und SPD-Landeschef Roger Lewentz Zielscheibe der Kritik.
»Das Land wollte das Pleiteprojekt mit aller Gewalt los werden und wirft dabei jegliche Sorgfaltspflicht über Bord«, kommentiert LINKE-Landeschefin Katrin Werner die jüngsten Presseberichte. Im Hunsrück halten sich unterdessen hartnäckig Gerüchte über eine bevorstehende Pleite der Betreibergesellschaft Flughafen-Frankfurt-Hahn-GmbH, die zu 82,5 Prozent dem Land Rheinland-Pfalz und zu 17,5 Prozent dem Land Hessen gehört. Der ehemalige Militärflughafen galt einst als Modell einer »gelungenen Konversionspolitik«. Im Rhein-Hunsrück-Kreis klammern sich bislang fast alle Parteien an den Airport wie an einen Strohhalm. Lediglich die Linksfraktion im Kreistag kritisiert seit Jahren diese Hoffnungen als trügerisch und warnt vor einer Bruchlandung. »Bisher ist mindestens eine halbe Milliarde an öffentlichen Geldern in den Hahn geflossen. Damit hätte man ganz andere Dinge machen können«, so Fraktionschef Roger Mallmenn. Das hervorragend an das Autobahnnetz angeschlossene Gelände eigne sich als Gewerbegebiet oder durch Ausbau der dort ansässigen Landespolizeischule als Bildungsstandort, so Mallmenn
Unterdessen geht der schrittweise Ausverkauf des Flughafenareals weiter. So erwarb die Immobilienfirma ADC ein Gelände mit ehemaligen Soldatenunterkünften für günstige 1,2 Millionen Euro. ADC-Chef ist der frühere Mainzer Wirtschaftsstaatssekretär Siegfried Englert (SPD). Er verfügt über beste Beziehungen zur chinesischen Geschäftswelt und hat mehrfach Interesse an einer Hahn-Übernahme bekundet.
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