Mauern lernen beim »Bund«
Das Militär bietet Praktika für zunächst 120 syrische Flüchtlinge an
Mit einem Ausbildungsprogramm für in Deutschland lebende Syrer will die Bundeswehr einen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen leisten. Doch das ist offenbar nicht so leicht wie gedacht. Erstens scheint das Interesse geringer als erhofft. Statt der erhofften 120 Flüchtlinge fanden sich zunächst nur 45 Interessierte. Zweitens kommt Kritik auf, weil Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, den entsprechenden Vertrag ausgerechnet am Donnerstag, dem Weltfriedenstag, unterzeichneten. Zugleich ist der 1. September traditionell jener Tag, an dem für Zehntausende junge Leute das neue Ausbildungsjahr beginnt. Daraus schlussfolgern manche, es handle sich um eine »PR-Aktion« oder eine »Eintagsfliege«. Nein, entgegnet die Ministerin, die Bundeswehr bilde in über 100 zivilen Berufen aus und besitze eine solide Basis dafür. Warum sollte man die nicht auch im Interesse der Flüchtlinge nutzen? Bereits bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar hatte sie auf solche Möglichkeiten hingewiesen. Seither verging viel Zeit.
Nun ist langer Atem gefordert. Den hatte man bei der gerade ausgelaufenen Aktion »Helfende Hände« bewiesen. Bis zu 9000 Soldatinnen und Soldaten waren in die Flüchtlingshilfe eingebunden. Das Militär stellte Gebäude bereit, baute neue Unterkünfte, stellte Busse und Lkw bereit, übernahm Verpflegungsaufgaben und medizinische Hilfe, leistete Assistenz im Bundesamt für Migration. Nun ist man wiederum allen anderen Regierungsbereichen, die wortreich Integration fordern, praktisch voraus. Die Bundeswehr vermittelt Syrern Grundkenntnisse in verschiedenen Handwerksbereichen, im medizinischen Dienst, auf dem Bau oder in technischen Belangen.
Die entsprechenden Kurse, Module genannt, haben bereits am Montag begonnen. Sie finden an sechs Standorten in Bayern, Niedersachsen und Berlin statt und dauern jeweils vier Wochen. Jeder Flüchtling darf sich an bis zu drei Modulen beteiligen, ist also 12 Wochen aus der Eintönigkeit des Asylbewerberdaseins befreit. Zugleich lassen sich Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben, die beim Wiederaufbau der weitgehend zerstörten Heimat dringend gebraucht werden. Bis zu einer möglichen Rückkehr soll das Programm auch helfen, dass die Flüchtlinge leichter Zugang zum hiesigen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt finden. Die Auswahl der Teilnehmer obliegt der Bundesagentur für Arbeit, während der Praktikumszeit wird Arbeitslosengeld II gezahlt.
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