Das Tier als Mitgeschöpf
Eine Stiftung übernimmt die Brehm-Gedenkstätte in Thüringen - Halbzeit bei Generalsanierung
Die Dielen sind herausgerissen, die Fenster von innen durch Holzplatten verdeckt. Nur ein grüner Kachelofen ist vom einstigen Mobiliar noch an seinem Platz in den sonst verwaisten Räumen. Seit zwei Jahren wird die idyllisch auf einer Anhöhe gelegene Gedenkstätte des Naturforschers Alfred Brehm (»Brehms Tierleben«) im ostthüringischen Renthendorf generalsaniert. Das Ziel: Das Haus soll wieder in seinem Urzustand von 1865 erstrahlen. »Wir haben mehr als die Hälfte geschafft«, sagt Gedenkstättenleiter Jochen Süß.
»Das Haus und die Außenanlagen sollen sich künftig so präsentieren wie zu Brehms Zeiten«, betont Süß. So wird es keine Lichtschalter geben, die Fenster wurden nach historischem Vorbild angefertigt und auch die originalen Küchenfliesen sollen wieder eingebaut werden. Auch im Garten wird nichts dem Zufall überlassen: Anhand von Fotos, Postkarten und Schriftstücken werden die Außenanlagen rekonstruiert. Dabei helfen etwa alte Rechnungen über den Kauf von Rosenstöcken.
Vor gut zwei Jahren ging Süß noch von etwa einer halben Million Euro für das Projekt aus. »Das war blauäugig«, sagt der 69 Jahre alte Mikrobiologe heute. Inzwischen belaufen sich die eingeworbenen und verplanten Gelder auf fast das Doppelte. Er rechnet damit, dass weitere 500 000 Euro nötig sind.
Denn das Projekt umfasst längst nicht nur die Generalsanierung der Gedenkstätte. Parallel dazu werden historische Möbel und Exponate restauriert, die künftig in einer Dauerausstellung gezeigt werden sollen. Außerdem soll im nächsten Jahr ein Gestaltungswettbewerb stattfinden. Die Schau werde nicht nur das Leben von Alfred Brehm (1829-1884) und dessen Vater, dem Vogelkundler Christian Ludwig Brehm (1787-1864) beleuchten. »Es geht natürlich auch um die Werksgeschichte von «Brehms Tierleben» und den Blick Brehms auf das Tier als Mitgeschöpf« sagt Süß. »Und wir wollen zeigen, wie die Forschungsarbeiten der Brehms Impulse zum Natur- und Vogelschutz gegeben haben.«
Um die Gedenkstätte auf solidere Füße zu stellen, soll sie an eine Stiftung übergehen. Bisher gehört die Einrichtung dem gut 400 Einwohner zählenden Ort Renthendorf; betrieben wird sie von einem kommunalen Zweckverband. Doch die Kommunen seien mit dieser Aufgabe überfordert, erläutert Süß. Es hätten sich schon 41 Gründungsstifter gefunden, die das erforderliche Kapital von 25 000 Euro aufbringen. »Wir suchen aber noch weitere Stifter, vor allem um das Bekenntnis der Region zur Gedenkstätte zu untermauern.«
Zur Stiftung wird nicht nur das als Witwensitz errichtete Haus der Familie Brehm gehören, sondern auch das benachbarte Pfarrhaus. Dort lebte Christian Ludwig Brehm während seiner Zeit als Pastor, Sohn Alfred Brehm erblickte in dem Haus das Licht der Welt. Zudem hofft Süß, auch eine nur noch in Fundamenten erhaltene ehemalige Pfarrscheune wieder aufbauen zu können. Dort könnte dann die umfangreiche Brehm-Bibliothek untergebracht werden, die derzeit ins Kreisarchiv ausgelagert ist, sowie ein kleines Museumscafé seinen Platz finden. »Wir brauchen dringend mehr Platz«, sagt Süß.
Über die Baufortschritte am historischen Ort informieren sich in der vergangenen Woche auch Brehm-Forscher bei einem Treffen in Renthendorf. Dabei ging es außerdem um das wiederentdeckte Grab von Alfred Brehms jüngerem Bruder Reinhold auf einem Friedhof in Barcelona. Reinhold Brehm war Arzt der Deutschen Gesandtschaft in Madrid und hat sich ebenfalls als Ornithologe einen Namen gemacht. Er erforschte die iberische Vogelwelt und gilt als Entdecker des spanischen Kaiseradlers. dpa/nd
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