Auf der Suche nach Freiheit und einem Platz

Das fünfte Discover Football Festival möchte Fußballerinnen dabei unterstützen, die Gesellschaft zu verändern

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Tribünen des Willi-Kressmann-Stadions in Berlin-Kreuzberg waren zwar formell nicht in Heim- und Gästeblock unterteilt, aber am Mittwochabend war klar zu erkennen, wo die Fans des iranischen Frauenteams Yaran Hejazi saßen. Oder besser: Es war zu hören. Immer wieder schallten »Iran! Iran!« Sprechchöre von der Haupttribüne, dazu wurde mit iranischen Flaggen gewedelt. Die Gegengerade jubelte mehrheitlich bei gelungen Aktionen des »Football Undercover All Stars«-Teams.

Zehn Jahre ist es her, dass die Spielerinnen des Kreuzberger Vereins BSV Al-Dersimspor in Teheran ein Freundschaftsspiel gegen das iranische Nationalteam austrugen. Mit Hartnäckigkeit, die in dem Dokumentarfilm »Football Under Cover« zu sehen ist, hatten die deutschen Geschwister Valerie und Marlene Assmann und ihr iranischer Freund Ayat Najafi darum gekämpft, die historische Partie austragen zu dürfen. Nun, nach zehn Jahren und zwei gescheiterten Versuchen, ein Rückspiel zu veranstalten, konnte auch ein iranisches Vereinsteam in Deutschland zu einem Spiel antreten.

Dass das iranische Frauennationalteam mittlerweile regelmäßig Freundschaftsspiele austrägt und sogar in Qualifikationsspielen für große Turniere antritt, ist eine direkte Folge jenes Spiels. Eine andere ist die Gründung der Nichtregierungsorganisation Discover Football, die sich seit 2009 weltweit für interkulturelle Verständigung, Geschlechtergerechtigkeit und Empowerment von Frauen und Mädchen einsetzt. Noch bis Sonntag spielen in Berlin 104 von ihnen aus Afghanistan, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Iran, Italien, Kenia, Libyen, Palästina, Saudi-Arabien, der Türkei sowie Flüchtlinge aus Berlin beim Discover Footbal Festival. Das diesjährige Motto lautet »Home Game« und soll darauf hin deuten, dass Fußball dabei helfen könne, eine neue Heimat zu finden.

Najlah Salih und Manar Mohammed spielen für ihren Klub Hadit Altahadi im Sudan, der 2001 gegründet wurde. Letztes Jahr zwang die FIFA den Sudanesischen Fußballverband, eine Liga für Frauen einzurichten - darin treten nun zwei Vereine gegeneinander an. Salih berichtet über die Schwierigkeiten, zu Hause Fußball zu spielen: »In einem muslimischen Land wie Sudan ist es schwer für uns Fußballerinnen. Jahrelang mussten wir alle drei Monate einen neuen Sportplatz suchen, weil die Besitzer Probleme bekamen, als sie uns spielen ließen, und uns deshalb rausschmissen. Nun haben wir keinen festen Platz mehr, wir treffen uns drei mal in der Woche und spielen auf sandigen Freiflächen.« Für Mohammed ist es deshalb der größte Wunsch, »einen eigenen Trainingsplatz zu haben, von dem uns keiner Vertreiben kann.« Aber im Grunde geht es ihnen darum, überhaupt spielen zu können: »Fußball bedeutet für uns Leben. Das Spiel gibt uns Freiheit, mit ihm haben wir einen Freiraum, aus dem wir Kraft schöpfen.«

Während der Turnierspiele herrscht gute Stimmung. Da in den gemischten Teams Spielerinnen aus je zwei Vereinen auflaufen, feuern die übrigen ständig an. Fußballslogans aus verschieden Ländern und in verschieden Sprachen hallen über das Grün. Nach einer Begegnung, bei der Spielerinnen des afghanischen Vereins Asmayee Football Club aus Kabul antraten, wagen sich ein paar afghanische Jugendliche, die in Berlin leben, zu den Spielerinnen auf den Rasen, und gemeinsam posieren sie mir ihrer Landesflagge für Fotos.

Mit dabei ist auch Fanoos Basir, afghanische Nationalspielerin. Mit sechs Jahren begann sie in einem Flüchtlingslager in Pakistan Fußball zu spielen, seit ihrer Rückkehr nach Kabul 2010 spielt sie für die Landesauswahl. »Fußball liegt mir im Blut. Mein Vater und meine Onkel gründeten in den 60er Jahren einen Verein, der neben Fußball vor allem politische Aufklärung betrieb«, erzählt sie. Ausführlich beschreibt Basir mit ihren Händen die Kleidervorschriften für Fußballerinnen, zeigt, wie weit die Hose über die Knie und das Trikot über die Ellbogen reichen müssen, was unter Trikot und Hose getragen werden muss. Die Übersetzerin sagt lapidar: »Der ganze Körper muss bedeckt sein.«

Auch in Kabul leiden die Frauen unter der Dominanz der Männer. Es gibt nur einen Trainingsplatz, und Männer haben immer Vorrang, selbst wenn das Frauennationalteam trainieren will. Für die 25 Vereine in Kabul und die fünf weiteren in den Provinzen, die in einer Liga organisiert sind, wünscht sich Basir deshalb Fußballplatze nur für Frauen und Mädchen. »Fußball bedeutet mir alles. Das Spiel gibt mir Kraft und zeigt mir, mit Männern gleichgestellt zu sein.«

Dass dies zu beweisen auf der ganzen Welt eine Herausforderung ist, wissen die Spielerinnen. In Deutschland startet an diesem Wochenende die Frauen-Bundesliga, mediale Aufmerksamkeit bekommt das WM-Qualifikationsspiel der Männer am Sonntag. Der Libysche Verein nennt sich deshalb »Herausforderung«: Die Spielerinnen wollen sich selbst und die Gesellschaft herausfordern. Das dies nur in »kleinen Schritten« gelingt, wissen Asia Alhamady und Munira Elajeli: »Erst kämpfen wir für Frauenfußball an Schulen, dann sollen sich Vereine bilden. Und irgendwann bekommen wir eine Liga«, sind sich die beiden sicher.

Discover Football Festival: Bis Sonntag in Berlin. www.discoverfootball.de

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.