Aus Spaß am Basteln
Eine Ausstellung im Stadtmuseum Jena zeigt den Erfindungsreichtum zu DDR-Zeiten
Normalerweise trainiert Harald Schmidt auf seinem Hometrainer, Marke Eigenbau. Im Moment steht der aber in einer Ausstellung in Jena. Der 74-Jährige hat ihn dem Stadtmuseum vorübergehend zur Verfügung gestellt. Unter dem Titel »Selbstgemacht in der DDR« zeigen Kuratorin Teresa Thieme und ihr Team, was und warum damals gebastelt, gedrechselt und genäht wurde.
»Es gab verschiedene Gründe für das Heimwerken«, erklärt Teresa Thieme. Zum einen gab es den Mangel, das heißt, wer Monopoly spielen wollte, musste sich selbst eins basteln. Und die Kreativität der Menschen kannte keine Grenzen: selbstgemachte Unterwasserkameras, ein Zauberwürfel aus Holz und mit Benzin angetriebene Kindermotorräder. Die Bastelei wurde staatlicherseits unterstützt. Überall gab es Arbeitsgemeinschaften, in Zeitschriften wie »Guter Rat« und »practic« wurden Tipps und Selbstbau-Anleitungen für Heimwerker veröffentlicht.
Entstanden war die Idee zur Ausstellung, weil Teresa Thieme und ihrem Team aufgefallen war, dass dieser Aspekt bisher kaum beleuchtet wurde. So starteten sie einen Aufruf in den Thüringer Medien, die Resonanz war überwältigend. Etwa 300 Interessenten meldeten sich, fast 500 Exponate kamen zusammen. Ausstellungsmacherin Teresa Thieme sagt: »Wir möchten eine möglichst große Vielfalt zeigen, also nicht zehn selbst gebaute Bierkrüge aus Wäscheklammern oder Rasenmäher, von denen es unwahrscheinlich viele gab.«
Neben der Tatsache, dass viele Produkte in den Läden nicht erhältlich oder zu teuer waren, ging es auch um den Spaß am Basteln und um Individualität. Beides spielt auch heutzutage eine Rolle, wo Baumärkte boomen. Manche der Do-It-Yourself-Produkte wurden auch in Geschäften verkauft. Das Ehepaar Birgit und Peter Volkner aus Eisenberg, das auf Bestellung Türnamensschilder aus Holz herstellte, konnte sich nach ein paar Jahren vom Gewinn ein Auto kaufen. Ein Lehrer produzierte in seiner Freizeit Nähschränkchen in Kleinserie. Eins kostete bis zu 450 Mark, damals für viele ein halbes Monatsgehalt.
Groß raus kam zu DDR-Zeiten Detlev Sommer mit einem Kassetten-Ausblendgerät und mit einem Multi-Spektral-Mosaik-Filter. Mit ersterem konnte der damals 17-Jährige auf Kassette aufgenommene Musik langsam ausklingen lassen, wenn zum Beispiel die Moderatoren-Stimme versehentlich mit drauf war. Der Filter wiederum ermöglichte es, die optimale Farbabstimmung bei der Herstellung von Farbabzügen mit nur einem Probeabzug zu ermitteln. Ein Riesending damals. Der heute 55-Jährige: »Ich war damit auf der Messe der Meister von Morgen, habe Preise gewonnen und sogar richtig Geld verdient.« Den Filter wollten alle DDR-Fotografen haben. Detlev Sommer legt Wert darauf, kein Tüftler zu sein, sondern Konstrukteur, er hat später Maschinenbau studiert. Jetzt, wo die Kinder groß sind, ist er schon wieder unterwegs mit einer neuen Idee. Mit einem Fensterschnapper, der dem Einbruchschutz dient, war er im MDR bei »Einfach genial«. Wieder ein Erfolg.
Die Ausstellung in Jena entstand in Kooperation mit der hiesigen Universität. Die Studentinnen und Studenten führten Interviews mit zehn von denen, die Ausstellungsstücke zur Verfügung stellten. Teresa Thieme erklärt: »Uns waren die Geschichten wichtig, die dahinter stehen.« Die Objekte und Interviews kann man sich auf einem Touchscreen-Bildschirm ansehen und anhören.
Bisher ist die Resonanz auf die Ausstellung sehr gut. Etwa 3500 Besucher kamen. Bei der Älteren werden viele Erinnerungen wach, jungen Leuten widerstrebt vielfach die heutige Wegwerfgesellschaft. Etwas Langlebiges und Individuelles selbst zu entwerfen, ist wieder in Mode.
Nicht alles kann das Museum zeigen, einiges ist schlicht zu groß, zum Beispiel Traktoren. Auch ein zum Aquarium umgebauter Fernseher ist nur auf einem Foto zu sehen. Teresa Thieme: »Wer soll denn in der Ausstellung die Fische füttern?«
Die Ausstellung »Man muss sich nur zu helfen wissen. Selbstgemacht in der DDR« ist bis 16. Oktober im Stadtmuseum Jena zu sehen.
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