Zum Abschied noch einmal Gold

Heinrich Popow will nach den Paralympics in Rio seine Karriere beenden

  • Sandra Degenhardt, Rio de Janeiro
  • Lesedauer: 3 Min.

Seine Abschiedsbühne hat Heinrich Popow schon kennengelernt. Er machte seine ersten Schritte auf der paralympischen Tartanbahn in Rio - und war begeistert. »Die Bahn ist schnell. Es ist alles da, was man braucht, um die Spiele zu genießen und Leistung zu bringen«, so das jahrelange Aushängeschild des deutschen Behindertensports.

Der 100-Meter-Paralympics-Sieger von London strahlt Freude und Zuversicht aus, dass er seine vierten und letzten Paralympics in Rio mit Gold krönen kann. Der 33-Jährige verbesserte vor kurzem seinen eigenen Weitsprung-Weltrekord auf 6,77 m. »Als Weltrekordler will man Gold holen.« Auch über 100 m hat er als Titelverteidiger beste Chancen. Wenngleich die Konkurrenz dort weit größer ist. Vor einem Jahr, als er die WM wegen einer Fußverletzung verpasste, war sein Ziel über 100 m ganz klar Gold. Heute sagt er: »Wenn ich mein Bestes gegeben habe, ist alles ok.«

Es muss bei den am Mittwoch beginnenden Spielen nicht Gold sein, um als Großer abzutreten. Dazu hat Popow zu viel für die Entwicklung und Wahrnehmung des Behindertensports in Deutschland getan. Er war jahrelang das, was heute Markus Rehm ist: Das Gesicht der deutschen Sportler mit Handicap. Er erklärte jedem, der es hören wollte, wie seine Prothese funktioniert, zeigte den Stumpf seines wegen eines Knochentumors im Alter von neun Jahren amputierten Beines, forderte mehr gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft. Und bezieht auch bei kritischen Themen klar Stellung. So sei der Ausschluss der Russen wegen des systematischen Staatsdopings richtig, könne aber nur der »erste Schritt sein. Macht man den zweiten und geht nach Jamaika, Kenia oder die USA - da stinkt es genauso wie in Russland.« Typisch Popow.

Das Verhältnis zu Markus Rehm, der Popow in der öffentlichen Wahrnehmung in die zweite Reihe verdrängt hat, ist abgekühlt. Zu unterschiedlich sind die Positionen: Rehm wollte in Rio auch bei Olympia starten, scheiterte aber. Popow hält von Rehms Bestrebungen nichts. »Inklusion im Leistungssport gibt es nicht«, sagt der angehende Orthopädietechnikmechaniker. Rehm sei ein Ausnahmetalent. »Aber er springt mit einer Prothese ab, das kann man mit Nichtbehinderten nicht vergleichen. Wir sollten unsere Paralympics stärken und Exklusion im normalen Leben verhindern.« So sei es wichtig, dass gehandicapte Kinder nicht ausgeschlossen werden. Es werde immer nur gesagt, was man nicht mehr kann, statt aufzuzeigen, was noch geht. Ihm sei von einem Lehrer gesagt worden: »Geh’ zum Arzt und hol’ dir ein Attest zur Sportbefreiung. Was das psychologisch mit einem Kind anrichtet, kann keiner nachvollziehen.« Andererseits erlebe er, wie sich auf Sportplätzen »normale« Kinder und deren Eltern beschweren: »Ihr habt durch eure Prothesen einen Vorteil, ihr springt wie Kängurus, ihr lauft wie Geparden.« dpa/nd

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