Die Klimaskeptiker von der AfD
Warum für die Rechtspartei der Ausbau erneuerbarer Energien nichts weiter als ein große Verschwörung ist
Das kann jetzt wirklich keiner mehr schönreden: Die AfD hat sich vorerst in den deutschen Landesparlamenten festgesetzt. Nun stehen die »Blauen«, soweit bekannt, nicht nur für dumpfe Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Was bisher kaum Beachtung findet, und darum in meinem heutigen Blog auf die Tapete kommt: Mit den Rechtspopulisten sind ausgemachte Klimawandel-Leugner und Anhänger kruder Verschwörungstheoretiker auf der Bühne der großen Politik aufgeschlagen.
Bekannt ist das nicht erst seit dem Erdrutsch-Erfolg in Mecklenburg-Vorpommern: Auch im Meck-Pomm-Wahlkampf wurde gegen die ökologischste Form der Energiegewinnung, die Windkraft, zu Felde gezogen. Damit hat die AfD der lokalen Anti-Windkraft-Partei »Freier Horizont« sicher einige Stimmen abspenstig machen können. Inhaltlich war man sich sowieso einig, denn bis zur Aufkündigung einer Zusammenarbeit durch den »Freien Horizont«, kurz nach deren Parteigründung, zog man gemeinsam gegen die Windmühlen im Nordosten zu Felde. Die Energiewende, dieser bisher wichtigste Hebel für Klimaschutz in Deutschland, halten die Blauen schlechterdings für einen »Irrweg«. Die erfolgreiche Förderung erneuerbarer Energien über die Ökostrom-Umlage, die den Erneuerbaren durch sinkende Produktionskosten Studien zufolge weltweit aus den Kinderschuhen geholfen hat, will die »Alternative für Deutschland« ganz abschaffen. Und zwar »ersatzlos«, weil es sich um »staatliche Planwirtschaft« handeln würde. Will die AfD weiterhin mit dreckigen, gesundheitsschädlichen Kohlekraftwerke Luft und Lungen verpesten lassen? Ja! Und dazu gibt es mehr Atomkraft und ressourcenfressenden Turbo-Kapitalismus.
Aber was ist mit dem Klimawandel? Sollen wir die Temperaturen einfach weiter steigen lassen, mit all den gravierenden sozialen und ökologischen Folgen? Nein! Denn glaubt man dem Klimamärchen der AfD, dann gibt es so etwas wie einen menschengemachten Klimawandel überhaupt gar nicht. Punkt.
Um das zu verstehen, habe ich mir die Freude gemacht, das AfD-Grundsatzprogramm, also den ideologischen Waschzettel der Partei, ganz in Ruhe durchzublättern. Ich will nichts vorwegnehmen, aber so viel sei gesagt: Wäre das Ganze nicht so brutal armselig und manipulativ, ich wäre in lautes Gelächter ausgebrochen. Doch bleibt einem das Lachen schnell im Halse stecken. Was sich hier an krudem Zeugs findet, kann in Sachen Verschwörungstheorie mit Polit-Zynikern wie Donald Trump mithalten. Der hatte den Klimawandel zuletzt als »Schwindel« bezeichnet, »erfunden von und für« die Chinesen zur »Schädigung der US-Industrie«.
Ohne Scham erklärt einem also die AfD, dass die Diagnose Erderwärmung auf »untauglichen Computer‐Modellen« des IPCC-Weltklimarates beruhe. Wir würden heute in einer Warmzeit mit Temperaturen »ähnlich der mittelalterlichen und der römischen Warmzeit« leben, die Wissenschaft könne »diese Klimaänderungen nicht erklären«. Das ist, ganz unverblümt, offen wissenschaftsfeindlich. Im IPCC arbeiten tausende Professorinnen und Akademiker seit Jahren eng zusammen. Hier machen sich die Besten, was Physik, Klimatologie, Mathematik, Volkswirtschaft, Biologie, Medizin und Gesellschaftswissenschaften im 21. Jahrhundert zu bieten haben, gemeinsam an die Erforschung des globalen Klimasystems. Und ja, dazu werden auch Computermodelle genutzt. Der AfD ist das egal. Alles Betrug. Die Welt ist eine Scheibe.
Ich lese weiter. Die »deutsche Regierung« (Wie ominös!) würde »unterschlagen« (Wie gerissen!), dass Kohlendioxid (CO2) »kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens« (Ach!) sei, so die Unterrichtsstunde in Biochemie. Die Welt brauche statt weniger sogar noch mehr von dem Zeug, lernen wir schließlich. Weil mehr CO2 mehr Pflanzenwachstum bringe und damit eine »positive Wirkung (...) auf die Welternährung« habe (Ach so, Problem des Hungers auch noch gelöst!). Eine groß angelegte Täuschung der Menschheit scheint hier im vollen Gange, und die Spürnasen der AfD haben sie aufgedeckt.
Wozu aber das Theater dieser klimatisch-ökologischen Weltverschwörung der Mächtigen? Jetzt wird es bizarr: Die deutsche Regierung »missbraucht« die »steigende CO2‐Konzentration« zur »großen Transformation der Gesellschaft«. Diese habe zur Folge, dass »die persönliche und wirtschaftliche Freiheit massiv eingeschränkt wird.« Wow! Angstmache mit Umweltschutz. Ressentiments schüren gegen öffentliche Politiken mittels einer Zeitreise zurück in die Vergangenheit, als Wissenschaftler wegen ihres Hexenwerks auf dem Scheiterhaufen landeten. Und immer nach Feierabend versprühen die Geheimflugzeuge der Regierung dann Giftwolken am Abendhimmel, um uns alle dumm und gefügig zu machen.
AfD-Chefin Frauke Petry zitiert im Vorwort ihrer Doktorarbeit der Chemie an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Göttingen (»Charakterisierung eines neuen ATP-binding-cassette Transporters aus der ABCA-Subfamilie«) ausgerechnet Albert Einstein: »Der Fortgang der wissenschaftlichen Entwicklung ist eine ständige Flucht vor dem Staunen.« Recht hat er, der erklärte Sozialismus-Fan.
PS: Auch die Dissertation von Dr. Petry stützt sich auf teuflische »Computermodelle«. Alles Schwindel?
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.