Dunkle Wolken über ährengeschmückten Wagen

Die Agrarwirtschaft, Stütze des ländlichen Raumes, steckt in der Krise - die LINKE schlägt eigene Lösungswege vor

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Nicht zum ersten Mal kamen beim diesjährigen Brandenburger Ernte- und Dorffest Probleme jener Unternehmen zur Sprache, die auf dem Lande und vor allem in den strukturschwachen Regionen oft der letzte verbliebene wirtschaftliche Anker sind. In seiner Ansprache nahm auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auf die schwierige Lage der Bauern Bezug. Er kam auf die Dumpingpreise in der Milchwirtschaft zu sprechen, die inzwischen bereits zu Betriebsaufgaben geführt haben. Beim großen Festumzug hatten die ortsansässige Familie Puhlmann ihren Schauwagen in einen Trauerwagen verwandelt, der zeigen sollte, dass sich ihr Hof notgedrungen komplett aus der Milchproduktion verabschieden muss.

Aber auch aufgrund der witterungsbedingt schlechten Ernte und der deutschen Sanktionspolitik gegen Russland gibt es Probleme für die märkischen Bauern. Landwirte machten bei dieser Gelegenheit auch auf zu geringe Preise für Getreide und einen zunehmenden Bürokratieaufwand aufmerksam. Nicht zu übersehen ist, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen zunehmend in die Hand von Großinvestoren fallen und damit Strukturen und Arbeitsplätze auf dem Dorf in Gefahr geraten.

Woidke appellierte an die Verbraucher, zu regionalen Produkten zu greifen. Es hänge entscheidend vom Kaufverhalten der Kunden ab, ob es den Bauern wirtschaftlich gute gehe, betonte er. Offen bleibt, warum in den Verhandlungen zwischen Milchbetrieben und Großabnehmern keine höheren Preise durchsetzbar sind.

Auch Brandenburgs LINKE, in Potsdam gemeinsam mit der SPD in Regierungsverantwortung, nimmt sich der dramatischen Änderungen in der Fläche des Landes an. Der berlinferne Raum müsse »in der Landespolitik stärker Beachtung finden«, sagte LINKEN-Fraktionschef Ralf Christoffers, als er in der vergangenen Woche das Konzept seiner Partei für die künftige Entwicklung im ländlichen Raum vorstellte. Es sei der Eindruck entstanden, dass sich die Politik im Zuge der Diskussion um die Neugliederung des Landes ausschließlich mit den großen Städten beschäftige. Christoffers schlägt vor, einen »Flächenfaktor« einzuführen, um die heutigen Umverteilungs- und Entlastungsmodelle zu ergänzen.

Zahlreiche Gartenbauunternehmen Brandenburgs stehen nach Ansicht der LINKEN vor einer existenziellen Krise. Grund seien auch bei ihnen neben witterungsbedingte Missernten der Preisverfall und die Russland-Sanktionen Bis 2017 soll daher nun eine Gartenbaukonzeption erarbeitet werden. Sie soll eine Analyse enthalten und Entwicklungsmöglichkeiten durch angepasste Förderprogramme, Beratung, Nachwuchsförderung und Wissenschafts-Praxis-Dialog aufzeigen. Mit einer Wertschöpfung von 230 Millionen Euro auf immerhin 10 500 Hektar sei der Gartenbau »ein regionaltypischer Wirtschaftszweig mit besonders hoher Wertschöpfung«.

Ebenfalls 2017 soll ein Tierschutzplan vorliegen. Er basiert auf dem Landtagsbeschluss vom Frühjahr 2016, der die Landesregierung auffordert, ein Maßnahmeprogramm zur Stärkung einer regional verträglichen, artgerechten und flächengebundenen Nutztierhaltung zu erstellen. In einer schwierigen Lage befinden sich dem Papier zufolge auch die 130 Fischereibetriebe im Haupterwerb.

Der brandenburgische Bauernverband muss sich aber auch »innerer Gegnerschaft« erwehren. Seine Repräsentanten protestieren dagegen, ihre Arbeit durch diverse Volksinitiativen »vom grünen Tisch aus« diskreditieren und der vorsätzlichen Tierquälerei beschuldigen zu lassen. Rundweg abgelehnt werden von den Verbandsmitgliedern die Forderungen des Verbandsklagerechtes und das Mitspracherecht der Kommunen bei landwirtschaftlichen Anlagen. Käme das tatsächlich durch, wären vor allem kleine Bauern getroffen, die sich kein teures Anwaltsbüro leisten können.

Laut Landesbauernverband sehen die Bauern den Rückhalt in der Bevölkerung schwinden - vor allem dort, wo am wenigsten Ahnung über die tatsächlichen Umstände der Tierhaltung vorhanden sei. Die Welt ist aus Sicht der Bauern aber kein Streichelzoo und artgerechte Tierhaltung und -pflege dürfe nicht Gegenstand von unbegründeten Gefühlsregungen auf Massenbasis sein.

Im Landtag arbeitet seit einigen Monaten eine Enquetekommission, die sich mit den Zukunftsaussichten des ländlichen Raumes befasst. Die enorme Landflucht der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte hat den Raum konturlos werden lassen. Schule, Kindergarten, Gemeindeamt, Gemeindeschwester, Gemeindebibliothek, Verkaufsstelle, Postfiliale, Bahnanschluss, Busverbindung, Dorfgaststätte - alle Strukturelemente des DDR-Dorfes - sind verschwunden oder nur noch in Rudimenten vorhanden. Man dürfe Probleme nicht wegreden, es sei ein »Problemstau« eingetreten, sagte die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion Anke Schwarzenberg, die dieser Kommission angehört.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!