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Der Dealer als Dienstleister

Die TV-Serie »High Maintenance«

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist das Ende vom zweiten Teil einer neuen Serie, das endgültig belegt, aus welchem Land die Produktion stammt oder besser: aus welchem nicht. »Sie haben Drogen in unser Haus gebracht«, poltert ein ortsfremder Vater an der Tür eines Eingeborenen im Hipsterviertel und hält ihm ein Tütchen grünen Inhalts vor die Nase. Würde sich dieser Dialog, sagen wir, im ZDF ereignen, der angeschnauzte Kiffer entgegnete gewiss irgendwas Abwiegelndes - »was soll das sein?«, zum Beispiel. Doch was sagt der gut situierte Drogenkonsument an seinem 50. Geburtstag in aller Seelenruhe? »Das sind keine Drogen, das ist nur Gras.« Schnitt. Abspann.

Nur Gras?

In Deutschland wäre das ein undenkbarer Satz, unkommentiert vergleichbar mit »Pädophilie sollte legal sein« oder »deutsche Serien sind besser als importierte«. Aber weil Letzteres weiter Zukunftsmusik ist, beendet der kleine Zusammenstoß verschiedener Kulturkreise auf engstem Raum ja auch nicht Folge 1595 der »Lindenstraße«, sondern Folge 2 von »High Maintenance«, ein Titel, den Sky im deutschsprachigen Raum kaum mit »Pflegebedürftig« übersetzen wird, während ihn das ZDF wohl um »Bedröhnte Hilfe« ergänzt hätte.

Um beides - Bedröhnen und Versorgen - geht es in der Fortsetzung eines globalen Interneterfolgs, den der sagenhaft lässige Showrunner Ben Sinclair mit sich als Hauptfigur nun ins Fernsehen hievt. Ein Grasverkäufer, im Original bloß »The Guy« genannt, fährt per Rad durch die angesagten Viertel New Yorks und beliefert das menschliche Panoptikum von Brooklyn bis Queens mit jenem Stoff, den hierzulande nur noch die Bierzeltbeglücker von AfD bis CSU verteufeln. Denn anders als deren restriktive Drogenpolitik suggeriert, zeigt die HBO-Serie lebensklug und brüllend komisch, wie variabel ein Feierabend mit ein, zwei Joints verglichen mit ein, zwei Promille im Blut (was gerne auch gewaltsam endet) sein kann.

The Guy beliefert nämlich nicht nur antriebslose Kiffer in abgewetzten Sitzgarnituren; seine Klientel besteht wie in der Realität aus allen Schichten, Typen, Altersgruppen. Zum Auftakt ist dies ein bedrohlicher Gangstertyp, der sein Gras mit Kleingeld zahlen will, gefolgt von einem schwulen Salonlöwen, der sein buntes, aber fades Leben mit Sex-Apps und Selbsthilfegruppen garniert, bevor eine bildungsbürgerlich durchsetzte Geburtstagsgesellschaft gezeigt wird, deren muslimischer Nachbar das Gras seiner Tochter entdeckt hat.

Und hier wird es nun wirklich progressiv: The Guy hatte den Kaufwunsch der Minderjährigen nämlich zuvor abgeschlagen, weshalb sie es eben nebenan versuchte. Zu jung, nicht bekannt, kein Vertrauen, so lautet sein Urteil. Dieser Dealer widerspricht demnach allen TV-Klischees. Er ist mehr empathischer Dienstleister als gewissenloser Lieferant, ein tiefenentspannter Chirurg am offenen Herzen einer Gesellschaft, die sich angesichts der Welt da draußen ins Innere zurückzieht. Dafür stellt Erfinder, Regisseur und Produzent Sinclair gemeinsam mit seiner Frau Katja Blichfeld nicht nur sein Gesicht zur Verfügung, sondern Geschichten die jedem widerfahren. Dafür brauchen sie keine Drogen. Nur Gras. Mal mehr, mal weniger.

Verfügbar bei Sky On Demand

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