Wortgefecht mit Merkel

Bei einer CDU-Wahlkundgebung in Steglitz-Zehlendorf provozieren Rechte

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die kleine Gruppe Rechter sammelt sich am Ausgang des S-Bahnhofes Lichterfelde Ost. In der Runde junger, stämmiger Männer geht es um den sogenannten kleinen Waffenschein. »Schreckschusspistole musst Du jetzt beantragen«, sagt einer. Auch »Pfefferspray« bekommt man nicht wie früher einfach im Laden, behauptet ein anderer. Die Waffenfetischisten ziehen wenig später in Richtung des nahe gelegenen Kranoldplatzes. Dort haben sich gegen 18 Uhr mehr als Tausend Menschen versammelt, um den Wahlkampfauftritt der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu verfolgen.

Sobald Merkel den Platz betritt, brüllen die dort versammelten bis zu 50 Rechten Parolen wie »Merkel muss weg«, »Lügenpack« oder »Hau ab«. Es entspinnen sich heftige Wortgefechte zwischen Schreihälsen und Unterstützern der CDU. Doch die Kanzlerin und ihre Partei haben offenbar mit Störern gerechnet. Direkt vor der Bühne sind lediglich Parteimitglieder und Presse zugelassen. Polizei und Ordner der CDU sichern den mit Hamburger Gittern abgesperrten Bereich ab. Auch der Berliner Verfassungsschutz ist vor Ort. Die von den Rechten hochgehaltenen Anti-Merkel-Plakate werden umgehend von CDU-Plakaten beschattet, die Mitglieder der Jungen Union hochhalten, die zügig zur Stelle sind.

Merkel reagiert auf die »Buhrufe« mit dem Verweis auf die »gute Technik«, also die großen Lautsprecher, die die CDU bei der Kundgebung in ihrer Hochburg in Steglitz-Zehlendorf aufgefahren hat. Nach ein bisschen Lob und Aufmunterung für die lokale CDU kommt die Kanzlerin auf ihre Flüchtlingspolitik und die damit zusammenhängenden »kontroversen Diskussionen« zu sprechen. Es liege ein »besonderes Jahr« hinter Deutschland, so Merkel, in dem es um »humanitäre Verantwortung« und Solidarität gegenüber den Menschen ging, die vor Krieg und Not fliehen würden. Großer Pro-Merkel-Jubel brandet unter den Anwesenden auf, als die Kanzlerin auf die Situation in Syrien und das geschundene Aleppo zu sprechen kommt: »Wir arbeiten mit aller Kraft daran, dass der Waffenstillstand hält«, sagt sie. Die Bundeskanzlerin betont im Gegenzug aber auch: »Wir wollen die Zahl der illegalen Flüchtlinge nachhaltig minimieren.« Außerdem müssten diejenigen das Land wieder verlassen, die keine Aufenthaltserlaubnis haben, damit denjenigen geholfen werden kann, die Hilfe brauchen. »Abschiebungen gehören genauso dazu wie Integration«, sagte Merkel. Die Bundeskanzlerin erhob die Abgeordnetenhauswahl am kommenden Sonntag zur Abstimmung über die Zukunft. »Es geht um Heimat, Berlin und die deutsche Hauptstadt«, sagt Merkel. Die Menge skandiert »Angie«, »Angie«, »Angie«.

Ob der Wahlkampfeinsatz der Bundeskanzlerin dem Berliner CDU-Spitzenkandidaten Frank Henkel hilft, wird sich am Sonntag zeigen. Fest steht, Merkel polarisiert und wird für die Rechten immer mehr zur Hassfigur. Besonders deutlich wird das an einem Mann mit weißer Schirmmütze, er ruft andauernd: »CDU ja, Merkel nein.« Frank Henkel, der Spitzenkandidat der Union, freut sich über die Unterstützung der Kanzlerin, die mit dem Auftritt bei der Kundgebung nunmehr zum dritten Mal Flagge für ihre schwächelnden Parteifreunde aus der Hauptstadt zeigt. In Umfragen wurde die Union allerdings berlinweit zuletzt bei unter 20 Prozent gemessen.

Henkels Strategie ist es nun, mit einer Kampagne gegen Rot-Rot-Grün und dem Slogan »Keine Experimente« Stimmen zu gewinnen. Dass das stark nach Konrad Adenauer klingt, bestätigt ein CDU-Mitglied am Rande der Kundgebung. Das sei 1955 und 1957 gewesen, sagt er. Damals galt: »Ob Sonnenschein oder Regenschauer, Deutschland wählt Adenauer«. 60 Jahre später gelten solche Automatismen für die einstige 40-Prozent-Partei nicht mehr.

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