Kirchen und NGOs fordern konkrete Ergebnisse von UNO-Gipfel

Auftakt zur ersten Vollversammlung zum Thema Flucht und Migration / OECD mahnt wegen einwanderungsfeindlicher Stimmung bessere Integration an

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Berlin. Zum Auftakt des UN-Flüchtlingsgipfels in New York haben Kirchen und Hilfsorganisationen die Teilnehmer zu konkreten Beschlüssen aufgefordert. Der Weltkirchenrat und die Konferenz Europäischer Kirchen riefen in einer am Montag in Brüssel veröffentlichten gemeinsamen Erklärung zur friedlichen Lösung bewaffneter Konflikte auf. Diese seien eine der Hauptursachen der globalen Flüchtlingskrise. Hilfsorganisationen plädierten dafür, das Leid der Kinder besonders in den Blick zu nehmen.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) verlangte von der Staatengemeinschaft die Zahlung der versprochenen Hilfsgelder für Syrien. »Es ist ein Skandal, dass manche Länder ihre Hilfen nur auf dem Papier versprechen und die Menschen in und um Syrien hungern müssen und kein Dach über den Kopf haben«, erklärte der Minister in New York. Noch nicht einmal die Hälfte der zehn Milliarden US-Dollar an Hilfen, die bei der Syrien-Konferenz im Februar in London zugesagt wurden, sei umgesetzt worden. Die Staats- und Regierungschefs der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen wollten am Montag in New York zum ersten großen UN-Gipfel zum Thema Flucht und Migration zusammenkommen.

Für Dienstag hat US-Präsident Barack Obama zu einem weiteren Flüchtlingsgipfel bei den UN eingeladen. Die Bundesregierung wird bei beiden Treffen von Entwicklungsminister Müller und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vertreten. Das internationale Kinderhilfswerk terre des hommes verlangte von der Bundesregierung deutlich mehr Investitionen in die Entwicklungshilfe. Vor allem für die Bildung von Jugendlichen müsse mehr getan werden, betonte die in Osnabrück ansässige Organisation.

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef warnte vor einer globalen Krise der Kinder. Fast 50 Millionen Mädchen und Jungen hätten weltweit ihre Heimat verlassen, erklärte die Organisation in Köln. Die internationale Gemeinschaft müsse dem Schutz der Kinder besondere Aufmerksamkeit schenken. Die christliche Kinderhilfsorganisation World Vision forderte eine »vorausschauende Friedenspolitik«. Die Bekämpfung von Fluchtursachen bedeute auch, Frieden in den Heimatländern der Geflüchteten zu fördern, erklärte World Vision in Friedrichsdorf. Zugleich warnte die Organisation davor, Entwicklungsgelder für Sicherheitsmaßnahmen wie das Training und die Ausrüstung von Militär in gefährdeten Ländern einzusetzen. Die Vermischung von sicherheits- und entwicklungspolitischen Aufgaben, wie sie die EU-Kommission teils empfiehlt, sei »höchst bedenklich«.

OECD ruft zu mehr Integrationsbemühungen auf: »Öffentlichkeit verliert Vertrauen in Regierungen«

Angesichts einer wachsenden einwanderungsfeindlichen Stimmung hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu verstärkten Integrationsbemühungen aufgerufen. »Die Öffentlichkeit verliert das Vertrauen in die Fähigkeit der Regierungen, Einwanderung zu steuern«, heißt es in dem am Montag vorgestellten jährlichen OECD-Migrationsbericht. »In Europa hat die massive Zunahme von Flüchtlingen in den vergangenen Jahren zu dieser Sicht beigetragen.«

Viele Menschen würden die Ankunft von Migranten und insbesondere von Flüchtlingen als »Gefahr« für ihre wirtschaftliche, soziale und persönliche Sicherheit empfinden, beklagte der OECD-Direktor für Beschäftigung, Arbeit und Sozialfragen, Stefano Scarpetta. Dabei seien die Auswirkungen der Zuwanderung auf öffentliche Finanzen, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung mittel- und langfristig »positiv«. »Diese Botschaft wird aber nicht gehört.«

OECD-Chef Angel Gurría forderte verstärkte Anstrengungen, um Einwanderer zu integrieren. »Die große Aufgabe, die große Herausforderung ist Integration.« Der Bericht ruft die 35 OECD-Mitgliedstaaten unter anderem dazu auf, berufliche Qualifikationen von Einwanderern schneller anzuerkennen und mehr Sprachkurse anzubieten.

Dem Bericht zufolge reisten im vergangenen Jahr 4,8 Millionen Menschen in OECD-Länder mit dem Ziel ein, dauerhaft zu bleiben - ein Zuwachs um zehn Prozent im Vergleich zu 2014. Dies umfasst auch Umzüge innerhalb der OECD-Länder. Registriert wurde 2015 die Rekordzahl von 1,65 Millionen Flüchtlingen, davon allein 1,3 Millionen in Europa. Jeder vierte Flüchtling kommt aus Syrien.

Im Zuge der Flüchtlingskrise sind in zahlreichen EU-Staaten rechtspopulistische Parteien wie die Alternative für Deutschland (AfD) im Aufwind, in den USA macht der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump Stimmung gegen Einwanderer. Die Zahl der Menschen mit »extrem einwanderungsfeindlichen Ansichten« sei in den vergangenen Jahren angewachsen, warnte OECD-Vertreter Scarpetta. Entsprechende Äußerungen seien in der Öffentlichkeit auch öfter zu hören.

Der Bericht der in Paris ansässigen OECD sollte am Montag beim UN-Gipfel zum Thema Migration in New York vorgestellt werden. In der OECD arbeiten weltweit 35 Industriestaaten zusammen, unter anderem Deutschland, Japan und die USA. Agenturen/nd

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