Erst viel Regen, dann große Trockenheit

Extreme Witterung gefährdet Frankreichs Getreideernte und damit ein lukratives Exportgeschäft

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Die starken und langanhaltenden Regenfälle mit nachfolgenden Überschwemmungen im Frühjahr und die extreme Trockenheit im Spätsommer haben dramatische Konsequenzen für die Getreideernte in Frankreich. Von den schweren Regenfällen waren etwa drei Viertel des Territoriums betroffen, vor allem 18 Departements in Nord- und Zentralfrankreich, für die die Regierung den »Katastrophenbedingten Notstand« ausrufen und Soforthilfe bereitstellen musste. Seinerzeit hatte der Bauernverband FNSEA die Schäden für die Landwirtschaft auf vier Milliarden Euro geschätzt.

Inzwischen ist die Erntezeit herangerückt und da zeigt sich, dass die Situation noch ernster ist, vor allem weil der Spätsommer extreme Temperaturen brachte und es über zwei Monaten nicht mehr regnete. Für 40 Departements wurde deshalb der »Trockenheits-Notstand« ausgerufen. Der Bauer Jean-Pierre Dinco zeigt auf einen 20 000 Quadratmeter großen Teich, der normalerweise als Reservoir für die Bewässerung seiner Maisfelder dient und der jetzt völlig ausgetrocknet ist. Die Maisernte wird für ihn weitgehend ausfallen. Und um seine Milchkühe über den Winter zu bringen, muss er mindestens 15 Tonnen Futter hinzukaufen.

»Die Erträge dürften in diesem Jahr um 25 bis 30 Prozent unter denen von 2015 liegen«, räumt selbst der meist Optimismus verbreitende Landwirtschaftsminister Stephane Le Foll ein. Wo Weizen angebaut wird, liegen die Erträge sogar 50 bis 70 Prozent unter denen des Vorjahres. Damit verlieren hier die Bauern pro Hektar 500 bis 600 Euro. Für das laufende Jahr rechnet man mit nur 29,1 Millionen Tonnen Weizen, während es im vergangenen Jahr 40,9 Millionen Tonnen waren.

Damit wird die Ernte dieses Jahres die schlechteste seit 1947. Arnaud Rousseau ist Getreidebauer in der Nähe von Saint-Etienne. Er zerreibt eine Ähre und zeigt, dass sie nur etwa zehn verwertbare Körner enthält, während es normalerweise 30 sind. »Außerdem ist die Qualität meist so schlecht, dass das Getreide nicht zu Mehl verarbeitet werden kann, sondern als Tierfutter dient«, sagt er. Das halbiere seine Einnahmen. »Ich werde neue Bankkredite brauchen, aber ich kenne Kollegen, die sogar Sozialhilfe beantragen müssen.«

Das hat Folgen für Volkswirtschaft insgesamt. Frankreich wird in diesem Jahr seine traditionelle Rolle als größter Getreideproduzent und -exporteur Europas verlieren und zudem mindestens 0,1 Prozentpunkte Wirtschaftswachstum einbüßen. Traditionelle Kunden wie die Maghrebländer in Nordafrika, die bisher jedes Jahr 20 Prozent der französischen Produktion abgenommen haben, könnten verloren gehen. Besonders krass ist die Lage in Marokko, wo die eigene Getreideernte aufgrund einer außergewöhnlichen Trockenheit um 70 Prozent eingebrochen ist. Da dies nun schwerlich durch Importe aus Frankreich kompensiert werden kann, muss sich das Land an andere Produktionsländer wenden - das kann auf Dauer den Verlust der Handelsbeziehungen mit Frankreich bedeuten.

Mit Preissteigerungen für die Verbraucher ist dennoch nicht zu rechnen, weil die Ernte in anderen Teilen Europas, beispielsweise in Rumänien und darüber hinaus in der Ukraine, Russland, den USA, Kanada und Australien, reichlich ausfallen wird. Damit bleibt der Preis auf dem Weltmarkt niedrig und dürfte in diesem Jahr sogar noch einmal um schätzungsweise elf Prozent fallen. In Europa wird Getreide gegenwärtig mit 168 bis 170 Euro pro Tonne gehandelt - zu wenig für die französischen Bauern, die erst ab 200 Euro rentabel arbeiten können.

Die Regierung hat einen Hilfsplan versprochen, um den 90 000 Getreidebauern des Landes beizustehen. Das dürfte sich darauf beschränken, Steuern und Sozialabgaben zu stunden, nicht jedoch zu erlassen. Die Banken sollen veranlasst werden, dies auch für die Rückzahlung von Krediten zu tun. Während die Bauernverbände von der Regierung zinslose Darlehen fordern, ist die nur bereit, bei der Aufnahme neuer Bankkredite zu bürgen. So soll gesichert werden, dass die Landwirte finanziell in der Lage sind, die Aussaat für die nächste Saison vorzubereiten.

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