Steuerflucht: Ex-EU-Kommissarin hatte Briefkastenfirma
Neelie Kroes taucht in enthülltem Datensatz mit Namen zahlreicher Politiker auf / Linken-Abgeordneter de Masi: Der Fisch stinkt vom Kopfe
Berlin. Die ehemalige EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sowie weitere ausländische Politiker haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren Briefkastenfirmen auf den Bahamas unterhalten. Wie mehrere Medien berichten, geht dies aus vertraulichen Dokumenten aus dem Firmenregister des Inselstaats im Atlantik hervor. Die Existenz von Briefkastenfirmen ist zwar nicht verboten, solange diese Unternehmen nicht zur Steuerhinterziehung oder Geldwäsche genutzt werden. Aber sowohl mit Blick auf die Debatte über die Finanzierung des Öffentlichen als auch auf geltende Offenlegungspflichten rückt Kroes nun ins Visier von Kritik: Die frühere Kommissarin verstieß nach Angaben der Zeitung gegen den Verhaltenskodex der EU-Kommission. Sie war demnach von 2000 bis 2009 Direktorin der Mint Holdings Limited, Kommissionsmitgliedern ist aber jegliche Nebentätigkeit verboten. Kroes war von 2004 bis 2010 EU-Kommissarin.
Der linke Europaabgeordnete Fabio de Masi sagte, »der Fisch stinkt vom Kopfe her«. Er werde eine Untersuchung im Rahmen des Ausschusses zu den so genannten Panama-Papers fordern, der ebenfalls die Steuerflucht von Politikern und anderen Prominenten zum Thema hat. Kroes hätte ihre Tätigkeit in dem Steuerparadies auch dann noch erklären müssen, als sie den Direktorenposten aufgegeben hatte, hieß es in der »Süddeutschen Zeitung«. Die frühere Kommissarin erklärte auf Anfrage, es habe sich um ein »Versehen« gehandelt. Ihrem Anwalt zufolge übernimmt sie die »volle Verantwortung« und will Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker darüber informieren. Kroes' Firma wurde dem Anwalt zufolge für ein geplantes Milliardengeschäft mit dem US-Energiekonzern Enron gegründet. Zu dem Deal sei es allerdings nicht gekommen. Wegen der nicht deklarierten Firma droht der Ex-Kommissarin nun die Streichung ihrer Pensionen sowie anderer Vergünstigungen.
Zwischen 1990 und 2016 wurden auf den Bahamas 175.888 Briefkastenfirmen und Stiftungen gegründet. In den zugespielten Dokumenten finden sich auch Politiker wie der frühere kolumbianische Minenminister Carlos Caballero Argáez, der kanadische Finanzminister William Francis Morneau und der angolanische Vize-Präsident Manuel Domingos Vicente als Direktoren, Sekretäre oder Präsidenten von Firmen auf den Bahamas. Auch der Tennis-Weltverband ITF sowie die Namen von rund hundert Deutschen tauchen dort auf.
Die Bahamas, eine frühere britische Kronkolonie, gelten seit Jahrzehnten als Steueroase. Es gibt dort weder eine Kapitalertrags- noch eine Vermögenssteuer, dafür aber ein strenges Bankgeheimnis. Das Netzwerk ICIJ hatte in der Vergangenheit bereits einen umfangreichen Datensatz über Briefkastenfirmen ausgewertet, die über die in Panama ansässige Finanzkanzlei Mossack Fonseca liefen. Agenturen/nd
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