Umfragen, Umfragen, Umfragen
Über Zahlen, die die Welt nicht bewegen. Von denen es aber ganz viele gibt
Dieses Land ist an einem sicher nicht arm: an Umfragen. Allein in dieser Woche sind bis jetzt drei neue erschienen, in denen man etwas über den Ausgang einer Bundestagswahl erfahren soll, würde diese »am nächsten Sonntag« sein. Die letzte war vor auf den Tag genau drei Jahren: am 22. September 2013. Die Älteren unter uns werden sich noch erinnern. Damals gewann Angela Merkel die Abstimmung mit dem TV-Duell-Satz »Sie kennen mich« und verschaffte der Union 41,5 Prozent. Die Sozialdemokraten kletterten auf sagenhafte 25,7 Prozent - es war das, nun ja: beste Ergebnis seit 2009. Die Linkspartei folgte mit 8,6 Prozent auf dem dritten, die Grünen mit 8,4 Prozent auf dem vierten Platz. Der Rest kam unter ferner liefen ins Ziel. Die AfD gab es so wenig wie das, was fast alle heute »die Flüchtlingskrise« nennen, damit schon einmal klar ist, wer den Bösewicht spielt. Aber das ist eine andere Baustelle.
Umfragen also. Eine Angelegenheit mit Spannweiten. Die Linkspartei zum Beispiel wird in dieser Woche bei verschiedenen Instituten zwischen 7 und 10 Prozent taxiert. Rechnet man noch die üblichen statistischen Toleranzen dazu, könnte man fast sagen, diese Partei hat derzeit Chancen, auf ein Wahlergebnis zwischen 5 und 12 Prozent zu kommen. Das ist natürlich Unsinn, aber es sind ja auch nur Umfragen. Bei der SPD sehen die Demoskopen etwas klarer, sie kommt auf 22 bis 24 Prozent. Und die Grünen werden bei 11 bis 12 Prozent taxiert. Es gibt auch noch andere Parteien, die immer rechtsradikalere AfD zum Beispiel. Aber gegen die hülfe vielleicht so etwas wie ein substanzieller Politikwechsel. Hatte wir lange nicht. Und genau deshalb ist ab hier von Rot-Rot-Grün die Rede.
Rechnet man nämlich die Zahlen zusammen, käme diese Konstellation auf Werte zwischen 40 und 46 Prozent. Sagen wir etwas salopp: So viel brachte Angela Merkel 2013 mit dem Satz »Sie kennen mich« zusammen. Für eine Regierung reicht das aber nicht, was man schon deshalb einmal in die Runde werfen sollte, weil gerade viel von Rot-Rot-Grün die Rede ist. Ein Rechtspopulist von der CSU findet diese Farbenkonstellation schlimmer als den Rechtsruck. Bei der CDU wird das höflicher formuliert. Und der Rest, nun ja, der stellt sich gegenseitig Bedingungen. Ausgenommen diese Leute hier.
Nun könnte man ja auch die Idee kommen, dass es nicht von irgendwelchen Parteileuten abhängt, wer regiert, sondern, dass der Souverän diese Entscheidung trifft. Der aber wählt nur Parteien - die machen ab dem Wahlsonntag 18 Uhr aber was sie wollen. Weshalb eine weitere Umfrage erfunden wurde: Welche Koalition würden Sie denn gut finden? Genau das haben jetzt auch wieder Medienkonzerne fragen lassen, Emnid hat die Zahlen besorgt und siehe da: Die Bundesbürger denken quer durcheinander. Ein Drittel findet die so genannte Große Koalition so toll, dass sie wünscht, der Dauerstreit zwischen Seehofer und Merkel, bei dem Gabriel mal die eine Seite, mal die andere Seite befeuert, gehe weiter. Ein Viertel findet Rot-Rot-Grün besser, immerhin - es gab schon Umfragen, da wurde dieses Bündnis schlechter bewertet. Und, das ist vielleicht die eigentliche Botschaft dieser Umfrage: Für eine schwarz-grüne Koalition erwärmen sich nur 15 Prozent. Hätte man die bezahlten Funktionäre der drei Parteien gemeint, wäre wohl sogar noch ein höherer Wert herausgekommen.
Bestürzend ist, aber auch auf seine Weise nachvollziehbar, dass inzwischen neun Prozent für eine Koalition aus AfD und Union sind. Das verdankt diese Republik unter anderem der CSU, die selbst gern wie eine Rechtspartei redet und damit normalisiert, was man sich nicht wünschen kann: ein Bündnis aus neoliberaler Elitenpolitik und nationalistischem Hass. Immerhin ein Fünftel will gar keine dieser Parteienkonstellationen gut finden. Fast ein Viertel der Wahlberechtigten sagt überdies, dass weder Merkel, noch Gabriel noch Seehofer, noch Kretschmann eine Regierung leiten sollte.
Inzwischen gibt es übrigens die vierte Umfrage. Eine Sperrfrist soll Spannung bis um Mitternacht machen. So viel sei verraten: Es ändert sich am demoskopisch ermittelten Wunsch der Bürger nichts.
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