Der Wahlkampf hat begonnen

Piraten, Grüne und SPD bereiten sich auf den Urnengang in Nordrhein-Westfalen 2017 vor

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Spätestens seit Samstag ist der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen für den Urnengang im Mai 2017 eröffnet. Im Ruhrgebiet kamen SPD, Grüne und Piraten jeweils zum Parteitag und zur Aufstellungsversammlung zusammen. Bei der SPD wurde Hannelore Kraft gestärkt, die Grünen schwächten ihre Vorsitzende Sylvia Löhrmann, und die Piraten beeindruckten durch ein kompliziertes Wahlsystem.

In nächster Nähe in Bochum, Oberhausen und Gelsenkirchen tagten am Samstag SPD, Grüne und Piraten. Die Versammlungen fielen sehr unterschiedlich aus. Die SPD traf sich im modernen, großen Ruhr-Congress in Bochum. Im Foyer haben Großkonzerne wie RWE und die RAG, die ehemalige Ruhrkohle AG, ihre Stände aufgebaut und verteilen ihre Werbemittel. Einige Delegierte scheinen nur gekommen zu sein, um ihre Taschen mit Feuerzeugen und Kugelschreibern zu füllen. Im Saal präsentiert sich die SPD als die Wachstumspartei fürs Bundesland. Es gebe mehr Beschäftigte, Kitaplätze, Forschung, Tourismus und Geld für Bildung als »je zuvor« ist auf riesigen Plakaten zu lesen. Höhepunkt des Tages ist die beinahe einstündige Rede von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Kraft präsentiert die SPD als das soziale Gewissen und den Wachstumsmotor für NRW. Die Ministerpräsidentin wandelt Willy Brandts Satz, mehr Demokratie wagen zu wollen, ab. Sie sagt: »Wir wollen mehr Gerechtigkeit wagen.« Einige Punkte, die Kraft nennt, hätte die SPD in den letzten Jahren schon erfüllen können. Sie fordert Azubitickets und ein Ende von »Projekteritis« und Befristungen. Diese machten es jungen Menschen schwer, Familien zu gründen. Warum die SPD dies in den letzten Jahren nicht geschafft hat, erklärt Kraft nicht. Die fast 500 Delegierten wählen Hannelore Kraft mit 98,45 Prozent zur Landesvorsitzenden wieder. In Bochum bestätigt sich die SPD selbst und schwört sich auf den Wahlkampf ein.

25 Kilometer weiter, in der Oberhausener Luise-Albertz-Halle, sind die Grünen zur Landesdelegiertenkonferenz zusammengekommen. Sie küren ihre Liste für die Landtagswahlen. Bei den Grünen ist alles eine Nummer kleiner als bei der SPD. Werbung gibt es hier auch, dass einzige Großunternehmen ist allerdings die Post, die auch bei den Sozialdemokraten einen Stand hat. Für NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann gibt es einen Dämpfer. Nur 80 Prozent der Delegierten stimmen für sie als Spitzenkandidatin. 2012 waren es 98 Prozent. Schuld an Löhrmanns schlechtem Ergebnis dürften Unklarheiten in der Schulpolitik sein. G8, G9 oder, wie Löhrmann jüngst vorschlug, eine Schulzeit nach individuellen Bedürfnissen. Die Unklarheit gefällt den Grünen nicht. Sonst gibt es auf der Landesliste kaum Überraschungen. Amtierende Minister wie Johannes Remmel und Barbara Steffens und Landtagsabgeordnete landen auf den Spitzenplätzen. Auffällig ist, wie Grüne und SPD in letzter Zeit auf Distanz zueinander gehen. Die Grünen fordern einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle, die SPD will dort Arbeitsplätze erhalten. NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) kritisierte kürzlich eine »durchgrünte Gesellschaft«, in der Infrastrukturprojekte nur noch schwer umzusetzen seien.

Über Koalitionen müssen sich die Piraten derzeit keine Gedanken machen. Die Partei ist geschrumpft, für ihre Aufstellungsversammlung reicht die Aula einer Schule im Gelsenkirchener Norden. Knapp 140 Piraten sind gekommen. 48 von ihnen wollen auf die Landtagsliste. Die Piraten haben ein kompliziertes Wahlverfahren, erst am Sonntagmittag steht der Spitzenkandidat fest. Es ist Michele Marsching, Landtagsmitglied und Vorsitzender der Piraten-Fraktion. Trotz der jüngsten Schlappen sind die NRW-Piraten optimistisch, in den Landtag einziehen zu können. Sie haben schon einen Hype erlebt und glauben, dass sie mit einer Mischung aus sozialer Gerechtigkeit und dem Einsatz für individuelle Freiheit, sowohl im Internet als auch außerhalb des Netzes, punkten können.

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