Spanien: Parteirechte der PSOE probt den Aufstand
Fast die Hälfte der Parteiführung tritt aus Kritik am Vorsitzenden Sánchez zurück / Forderung nach Rücktritt des Generalsekretärs
Der rechte Flügel der spanischen Sozialdemokraten (PSOE) probt den Aufstand gegen ihren Generalsekretär Pedro Sánchez, der nun offen gestürzt werden soll. Als Vorwand dienen diversen Parteifürsten, die von der mächtigen andalusischen Regionalchefin Susana Díaz angeführt werden, die letzten Wahldebakel der sozialdemokratischen Partei in Galicien und im Baskenland. Am Mittwoch sind nun 17 von 38 Vorstandsmitgliedern aus Protest gegen Sánchez zurückgetreten, was allerdings bisher nicht zur erwarteten Entmachtung geführt hat.
Die Mitglieder an der Basis sehen mit großem Erstaunen zu, wie sich die Partei in einem Linienkampf zerlegt. Nicht wenige sprechen von einem »Putsch«, wie Francisco Gómez, der sich aus Protest an einem Parteibüro in Mérida angekettet hat. Er unterstreicht, dass Sánchez der erste Generalsekretär sei, der direkt von den Mitgliedern gewählt wurde, den sich nun einige Parteiführer vom Hals schaffen wollten. »Das bereiten sie seit Monaten vor«, erklärte Gómez. Über den Hashtag #yoConPedro (Ich bin mit Pedro) wird auch dazu aufgerufen, vor der Parteizentrale in Madrid friedlich eine Menschenkette zu bilden. Sánchez wird zum Durchhalten aufgefordert.
Dass man sich einen solchen Konflikt vor der Tatsache erlaubt, dass an Weihnachten ein dritter Wahlgang anstehen könnte, ist fatal. Schließlich bleibt nur noch Zeit bis Ende Oktober, um eine Regierung zu bilden, weil es in mehr als neun Monaten bisher auch nach einem zweiten Wahlgang nicht möglich war, ein Regierungsbündnis für Spanien zu schmieden. Die rechte Volkspartei (PP), die nach dem Scheitern ihres Führers Mariano Rajoy ohnehin auf Neuwahlen abzielt, reibt sich mit Genugtuung schon die Hände darüber, wie sich die bisher größte Oppositionspartei zerlegt.
Und bei den Sozialdemokraten tobt nun ein Streit um die Statuten. Die »Rebellen« wollten mit ihren Rücktritt erreichen, dass das Führungsgremium der Partei ausgehebelt wird. Das ist der Fall, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder im »Föderalausschuss« abtreten. 17 von 38 reichen dazu eigentlich nicht. Doch die Abtrünnigen zählen frühere Abgänge und Todesfälle hinzu. Demnach sei die Parteiführung nicht mehr entscheidungsfähig, weshalb die fünfköpfige »Garantiekommission« zu bestimmen habe, in der sie eine Mehrheit haben. Das sieht die offizielle Parteiführung aber anders, die die Statuten anders auslegt. Sánchez bleibe vorerst Generalsekretär, sagte die Nummer zwei der Partei, César Luena. Heute werde der Föderalausschuss ohne die zurückgetretenen Mitglieder zusammentreten, wurde derweil angekündigt.
Die seit langem schwelende Rebellion brach nun offen daran aus, dass Sánchez am 23. Oktober erneut die Mitglieder den Parteisekretär wählen lassen und Anfang Dezember einen Parteikongress abhalten will, um die Führungsgremien neu zu wählen. Damit hätte Díaz, die Ambitionen auf den Chefsessel schon angemeldet hat, nur geringe Chancen, auch weil ihr nur wenig Zeit bliebe. Aber hinter dem Aufruhr gegen Sánchez durch die Parteirechte steht vor allem der Richtungsstreit. Denn inzwischen hat Sánchez deutlich gemacht, dass er mit der linken Podemos (Wir können es) eine Regierung bilden will. Das ist für die PSOE-Chefin in der bevölkerungsreichsten Region Andalusien schon ein rotes Tuch. Díaz regiert in ihrer Heimat lieber mit Unterstützung der rechten und neoliberalen Ciudadanos. Dass diese Regierung zudem noch durch Enthaltung von baskischen und katalanischen Parteien unterstützt werden soll, die sich dazu bereit erklärt haben, treibt nun nationalistische Parteirechte definitiv auf die Barrikaden.
Auch wen Sánchez den Konflikt mit Unterstützung der Basis noch einmal überstehen könnte, ist doch angesichts der Lage kaum mehr vorstellbar, dass er in der Situation diese Alternative zu Rajoy durchbringen kann. Vielmehr muss er angesichts der tiefen Spaltung sogar damit rechnen, dass sich nun einige Abtrünnige im Parlament finden, die sich enthalten, wenn Rajoy noch einmal mit Unterstützung den Ciudadanos eine Regierungsbildung versucht. Kürzlich ist er noch an der kompletten Ablehnung der PSOE gescheitert.
Käme es zu Neuwahlen an Weihnachten, würde sich der Absturz der PSOE in dieser Situation wohl weiter verschärfen. Damit dürfte die Chance, eine rechte Regierung unter Rajoy abzulösen, praktisch unmöglich werden. Die hatte sich schon im zweiten Wahlgang verschlechtert. Somit haben die Rebellen ihr Minimalziel vermutlich schon erreicht.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.