Gysi: Kein Zurück zum Pickelhaubenstaat
Wie der Linkspolitiker die AfD schwächen will und warum er die EU retten möchte
In der Linkspartei läuft seit Wochen eine Debatte über die Haltung der Partei zur EU. Sollte man wieder stärker auf nationale Strategien setzen angesichts Eurokrise, Sparpolitik und alledem? Nein, meint der Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi. Er will weder den Euro abschaffen noch zurück zum »Pickelhaubenstaat«.
Die Europäische Union sei unsozial und undemokratisch, sagte der langjährige Fraktionschef der Linkspartei am Dienstagabend in Berlin in einer Rede zur Lage Europas. Dennoch »müssen wir sie retten«. Nicht nur, weil einzelne Staaten ökonomisch keine Chance hätten gegenüber den USA oder China. Sondern auch, weil jungen Menschen, die europäisch aufgewachsen sind, eine Rückkehr zum Nationalstaat nicht zuzumuten sei. Vor allem aber, weil es noch nie einen Krieg gab zwischen EU-Mitgliedsländern. Schon allein dies sei Grund genug, die EU zu retten, argumentierte Gysi auf der Veranstaltung des Münzenberg-Forums.
Gysi, der als neuer Vorsitzender der Europäischen Linkspartei im Gespräch ist, plädiert schon länger für einen »Neustart« der EU. Sie müsse sozialer, demokratischer, transparenter werden. Dass dies schwierig ist, sei kein Grund, es nicht zu versuchen. Schlimm fände er, wenn die EU irgendwann mit vereinten Kräften von linken und rechten Parteien zerstört würde.
Auch von einer Abschaffung des Euro hält er nichts, sie würde in Deutschland dazu führen, dass die Exporte einbrechen und die Arbeitslosigkeit steigt.
Andere Linkspolitiker liebäugeln dagegen mit nationalen Strategien. So hat der ehemalige Partei- und Fraktionschef Oskar Lafontaine bereits vor Monaten eine Rückkehr zu einem Europäischen Währungssystem vorgeschlagen. Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht beklagte kürzlich, der Euro wirke antieuropäisch, weil er Europa spalte. Sie plädiert generell für eine Rückverlagerung von Kompetenzen auf die Staaten. Dies sei eine Frage der Demokratie.
Gysi bezweifelt dagegen, dass die Rückkehr zu einem Währungsverbund möglich ist. Besser sei es, die Binnenwirtschaft in Deutschland zu stärken, um die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa abzumildern.
»Von uns muss das Signal ausgehen: Wir wollen die EU nicht zerstören, sondern neu gestalten«, fordert Gysi. Doch derzeit ist die Linke in Europa schwach, rechte Parteien haben dagegen Zulauf. Um Wähler der Alternative für Deutschland (AfD) wieder zurückzugewinnen, müsse die CDU wieder eine klar konservative Partei werden und den konservativen Teil der AfD-Wähler integrieren. Gleichzeitig müsse die Linkspartei Druck auf die SPD ausüben, »damit sie wieder so sozialdemokratisch wird, wie zu Willy Brandts Zeiten«, meint Gysi: »Wir brauchen einen sozialen Schub, damit sich AfD-Wähler nicht mehr abgehängt fühlen« - und ergo nicht mehr aus Protest AfD wählen.
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