- Politik
- Klimapolitik und Reichtum
Der Klimabeitrag der Reichen
Sehr Wohlhabende sind für einen sehr hohen Treibhausgas-Ausstoß verantwortlich. Die Politik kann etwas dagegen tun
Reiche haben einen viel größeren ökologischen Fußabdruck als Menschen in der unteren Einkommenshälfte, in Deutschland wie anderswo. Insofern ist es eigentlich naheliegend zu überlegen, wie Wohlhabende klimafreundlicher werden könnten. Doch im Wahlkampf spielt Klimaschutz generell kaum eine Rolle. Fernab von TV-Debatten mit Kanzlerkandidat*innen haben Forschende indes längst Vorschläge vorgelegt, was die Politik tun kann, damit Reiche mehr für den Klimaschutz tun.
Wie ist der Wohlstand in der Welt verteilt? Dazu haben französische Wirtschaftswissenschaftler um Lucas Chancel und Thomas Piketty 2022 mit dem World Inequality Report einen umfassenden Bericht vorgelegt. Mithilfe riesiger Datenmengen haben sie dabei auch den Treibhausgas-Ausstoß vermessen. Der ist im Globalen Süden viel geringer als im Norden. Was in den letzten Jahren jedoch noch wichtiger geworden ist, sind die Unterschiede innerhalb von Gesellschaften, die die Forschenden ebenfalls abgeschätzt haben. So haben in Deutschland 2019 die reichsten zehn Prozent rund 34 Tonnen Treibhausgas-Emissionen pro Kopf verursacht, bei Menschen in der unteren Einkommenshälfte waren es nur sechs Tonnen.
Um die Tonnenangaben ein wenig einordnen zu können, kann man sich das deutsche Klimaschutzgesetz anschauen, das Reduktionsziele für die kommenden Jahre festlegt. Umgerechnet auf die Bevölkerung ergibt sich daraus für 2030 eine angestrebte Pro-Kopf-Emission von 5,2 Tonnen CO2-Äquivalente, so das Umweltbundesamt. Alle Abschätzungen sollten vorsichtig betrachtet werden und beim Klimaschutz spielen viele weitere Faktoren eine Rolle. Dennoch weisen die Angaben darauf hin, dass Menschen aus der unteren Einkommenshälfte schon nah dran sind am nationalen Treibhausgasziel für 2030, die Top 10 müssen dagegen noch mächtig viel tun. Ihr gesamter CO2-Ausstoß ist im Übrigen größer als die Gesamtemissionen von 50 Prozent der Bevölkerung.
Insofern spricht einiges dafür, bei den Reichen mit ihren hohen Emissionen anzusetzen, wenn man effektiven Klimaschutz betreiben will. Diese Personen haben überdies mehr Möglichkeiten, ihr Verhalten zu ändern, beim Konsum ebenso wie bei ihren Investitionen. Hinzu kommt, dass sie mehr Mittel haben, um Klimaschutz zu finanzieren.
Die sehr Wohlhabenden stärker in den Blick zu nehmen, hält das französische Forscherteam dabei für dringend geboten: Um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen, müssten gerade in reichen Ländern die Treibhausgas-Emissionen drastisch sinken. Dafür sei ein umfassender Umbau der Wirtschaft nötig. Diese Transformation könne nur gelingen, wenn ökologische und soziale Ungleichheiten bei der Gestaltung der Umweltpolitik berücksichtigt werden, so das Team um Chancel und Piketty.
Das bedeutet für sie zum einen, Menschen in der unteren Einkommenshälfte zu ermöglichen, klimafreundlicher zu werden. Konkret schlagen sie hierfür beispielsweise vor, dass die öffentliche Hand klimafreundliche Sozialwohnungen baut, den öffentlichen Nahverkehr ausbaut, in erneuerbare Energie investiert und Hilfen für Beschäftigte in Industrien bereitstellt, die im Zuge der Dekarbonisierung umgebaut werden.
Mehr Verschmutzungsrechte für Reiche
Zum anderen sollte die Politik etwas gegen den großen CO2-Fußabdruck der sehr Reichen tun. Bisher werde dieser Aspekt in der Klimapolitik weltweit vernachlässigt, bedauert das Forscherteam. So setzen Regierungen bisher auf einen einheitlichen CO2-Preis, den Arme wie Reiche zahlen müssen. »In ungleichen Gesellschaften bedeutet dies faktisch, dass Wohlhabende mehr Verschmutzungsrechte erhalten«, heißt es in dem Bericht. Denn wer viel Geld hat, muss sich nicht einschränken, wenn das Heizen teurer wird.
»Es wäre völlig unangemessen, von Top-Vermögenden künftig nicht mehr zu verlangen.«
World Inequality Report
Auch in Deutschland und der EU gelten einheitliche CO2-Preise, hierzulande beträgt er für fossile Brennstoffe im Bereich Verkehr und Gebäude – also für Heizöl, Gas und Sprit – derzeit 55 Euro pro Tonne. Die Einnahmen wollte die Ampelkoalition eigentlich in Form eines Klimagelds an Haushalte zurückzahlen, was bisher aber nicht geschehen ist. SPD, Grüne und Linkspartei fordern nun im Wahlkampf, dass künftig mit dem Geld insbesondere Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen entlastet werden. Dieses Klimageld wäre ein sozialer Ausgleich, der nachträglich geleistet wird.
Man kann die Sache auch direkter angehen. So schlägt das Forscherteam eine progressive CO2-Steuer vor. Wer mehr Geld hat oder mehr Emissionen verursacht, zahlt einen höheren Satz. Zudem plädieren Chancel und Piketty für höhere Steuern auf besonders umweltschädliche Luxusgüter wie Jachten und Business-Tickets für Flüge. Nötig seien auch strengere Vorschriften bis hin zu Verboten für teure und klimaschädliche Güter wie SUV.
Steuern auf klimaschädliche Geldanlagen
All dies betrifft den Konsum. Daneben sehen die Wissenschaftler noch einen ganz anderen Weg, das Klima besser zu schützen: durch die Besteuerung und Regulierung klimaschädlicher Investitionen und Vermögensanlagen. Auch dieses Instrument würde die Ungleichheit berücksichtigen – was die Finanzausstattung angeht und die Entscheidungsfreiheit: Gerade Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen hätten oft nur eingeschränkte Möglichkeiten, sich klimafreundlicher zu verhalten, argumentieren die Forscher. Wer auf dem Land lebt, braucht oft das Auto. Mieter*innen können nicht einfach die Wohnung dämmen oder eine umweltfreundliche Heizung einbauen. Im Gegensatz dazu hätten Wohlhabende, die in fossile Industrien investieren, viele Alternativen für ihre Vermögensanlagen.
Konkret schlägt das Team vor, den Kauf von Aktien in fossile Unternehmen zu regulieren. Umweltschädliche Aktien könnten mit einer stark progressiven Steuer belegt werden, bevor der Kauf generell eingeschränkt wird. Beispielsweise könnten Staaten von Multimillionären, die Aktien von Öl- und Erdgaskonzernen besitzen, eine Steuer von zehn Prozent des Aktienwerts verlangen. Wenn die Unternehmen in erneuerbare Energien investieren, könne ein Rabatt gewährt werden.
Vermögenswerte in die Klimapolitik einzubeziehen, könnte eine effektive Strategie sein, um Emissionen zu verringern, schreibt Chancel in einer Analyse von 2023. Denkbar seien dabei auch steuerliche Anreize für grüne Anlagen.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Weil Kapitalanlagen relevant sind, hat das Forscherteam auch bei der Abschätzung des ökologischen Fußabdrucks nicht nur den Konsum und Lebensstil betrachtet, sondern auch Emissionen, die mit dem Besitz von Vermögenswerten verbunden sind. Aktionären wurden dabei nicht der gesamte CO2-Ausstoß von Unternehmen wie BP oder Exxon Mobil zugeordnet. Vielmehr wurden ihnen nur solche Emissionen zugeschlagen, die entstehen, wenn die Firmen investieren und beispielsweise ihre Produktion ausweiten oder erneuern. Die Abschätzung ist schwierig, wobei ihr Ansatz konservativ sei, schreiben die Forscher: Der CO2-Ausstoß der sehr Reichen werde eher unterschätzt als überschätzt.
Mit Steuern auf umweltschädliche Investitionen ließen sich beachtliche Mittel fürs Klima beschaffen, ausreichend wären sie jedoch nicht, um die Wirtschaft klimaneutral umzubauen. Zusätzlich sollten Top-Vermögen besteuert werden, etwa von Multimillionären. Dank vieler Beispiele wisse man inzwischen, was wo funktioniert und der Wirtschaft nicht schadet, so die Ökonomen.
SPD, Die Linke und Grüne für Milliardärssteuer
Superreiche stärker am Klimaschutz beteiligen – diese Idee gehört nicht zu den Topthemen im Wahlkampf, sie taucht aber in Wahlprogrammen auf. So unterstützen SPD, Grüne und Die Linke den von Brasilien angestoßenen Plan für eine international koordinierte Mindeststeuer für Superreiche. Milliardäre sollen insbesondere stärker zur Klimafinanzierung und zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele herangezogen werden, heißt es bei der SPD. Die Linke erläutert ausführlich, was sie unter sozial gerechtem Klimaschutz versteht und nennt etliche Finanzierungsvorschläge. So plädiert sie für eine einmalige Vermögensabgabe der reichsten 0,7 Prozent, um die soziale und ökologische Transformation zu ermöglichen. Im Wahlprogramm von CDU/CSU, der in Umfragen mit Abstand stärksten Partei, ist davon erwartungsgemäß nichts zu finden.
Das französische Forscherteam ist indes mit Blick auf die weltweite Lage überzeugt: In Anbetracht des enormen Anstiegs und der Konzentration von Privatvermögen »wäre es völlig unangemessen, von Top-Vermögenden künftig nicht mehr zu verlangen, gerade angesichts der sozialen, entwicklungspolitischen und ökologischen Herausforderungen«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.