Ware Mensch

Auch in Deutschland müssen Hausangestellte teils wie Sklaven arbeiten

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Es klingt wie aus einem UN-Report über moderne Sklaverei: 16 Stunden arbeiten pro Tag an sieben Tagen in der Woche. Keine Bezahlung außer Kost und Logis, kein Urlaub, kein Zugang zu medizinischer Versorgung, keine Privatsphäre, sondern nur ein Bett im Kinderzimmer, keine rechtlichen Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Doch was Akusua Asabea (Name geändert) am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Berlin berichtete, spielt sich mitten in Deutschland ab, und das Schicksal der 52-jährigen Ghanaerin ist kein Einzelfall.

Hintergrund ist die rechtliche Sonderstellung von Diplomaten. Diese genießen nicht nur straf- und zivilrechtliche Immunität, sondern haben das Recht, Hauspersonal einreisen zu lassen. Dessen Aufenthalt in Deutschland ist an dieses Arbeitsverhältnis gebunden. Wird es beendet, erfolgt die Rückführung ins Herkunftsland.

Zwar gibt es ein Rundschreiben des Auswärtigen Amtes, welches allen Diplomaten, die davon Gebrauch machen, die hier geltenden arbeitsrechtlichen Mindeststandards erläutert, doch eine Missachtung dieser Standards hat in den seltensten Fällen Konsequenzen. So hätte jede Hausangestellte unter anderem Anspruch auf eine Nettovergütung von 950 Euro pro Monat (plus Kost und Logis) bei einer 38-Stunden-Woche, bezahlten Urlaub, Krankenversicherung und ein eigenes Zimmer, sofern sie im Haushalt untergebracht ist.

A. arbeitet bereit seit 42 Jahren für die Familie, zunächst in deren Restaurant und später auch als Kinderbetreuerin. 2012 nahm sie das Angebot an, der zur Botschaftsrätin ernannten Mutter nach Deutschland zu folgen, auch wegen der versprochenen und vertraglich fixierten Bezahlung. Doch die blieb von Beginn an aus. Ihre Arbeitgeberin habe dies damit begründet, »dass ich zu dumm bin, um mit Geld umzugehen«, so Asabea.

Vor einigen Monaten entschloss sie sich, Kontakt mit Ban Ying aufzunehmen, einer vom Land Berlin finanzierten Kontakt- und Beratungsstelle gegen Menschenhandel. Mittlerweile ist ein Mediationsverfahren eingeleitet worden, an dem Ghanas Botschaft und das Auswärtige Amt beteiligt sind. Doch bislang ist keine Lösung in Sicht. Mit Hilfe der Berliner Rechtsanwältin Manuela Kamp versucht Asabea nun, ihre Ansprüche vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen. Insgesamt geht es um über 80 000 Euro vorenthaltenen Grundlohn und Zusatzleistungen. Doch solange die Dienstherrin diplomatische Immunität genießt, kann das Verfahren nicht eröffnet werden.

Paula Riedemann, Projektleiterin bei Ban Ying, weiß von vielen Fällen dieser Art. Zwar könne und wolle man nicht am völkerrechtlichen Schutz für Diplomaten rütteln, dennoch habe das Auswärtige Amt durchaus Hebel, um gegen besonders krassen Statusmissbrauch vorzugehen, so Riedemann. So könnten Diplomaten zu »unerwünschten Personen« erklärt werden. Auch gebe es Möglichkeiten, Hausangestellten bei Diplomaten einen Arbeitsplatzwechsel zu ermöglichen. Derzeit existiere aber nicht mal eine offizielle Beschwerdestelle, bei der Betroffene dieser modernen Form von Sklaverei angehört werden.

Wie die Angelegenheit für Asabea ausgeht, ist ungewiss. Derzeit wird sie von der Hilfsorganisation betreut. Doch sobald die gerichtlichen Verfahren eingestellt beziehungsweise abgeschlossen sind, droht ihr die sofortige Abschiebung nach Ghana, obwohl sie bereits jetzt von der einflussreichen Familie ihrer Arbeitgeberin massiv bedroht werde, wie sie berichtet. Riedemann verlangt daher, dass der Frau auf alle Fälle ein Bleiberecht aus humanitären Gründen zuerkannt wird.

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