Gegenwind für Mays Kurs

Finanzministerium warnt vor Brexit-Verlusten

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 2 Min.

Teile der Regierung von Theresa May sind sich anscheinend der hohen Kosten eines harten Brexit bewusst. Am Dienstag veröffentlichte die »Times« ein internes Dokument des Finanzministeriums, nach dem ein Ausstieg aus dem Binnenmarkt die britischen Steuereinnahmen im schlimmsten Fall um umgerechnet 73 Milliarden Euro schmälern würde - fast ein Zehntel der Gesamtsumme. Das Bruttoinlandsprodukt würde laut dem Dokument um rund 9,5 Prozent schrumpfen. Der »Times« zufolge wolle das Finanzministerium damit anderen Kabinettsmitgliedern den Schaden eines »harten« Brexit vor Augen führen.

Den hatte die britische Premierministerin May letzte Woche angedeutet. Auf dem Parteitag der Tories signalisierte sie, dass die Beschränkung der Einwanderung erste Priorität hat und Großbritannien voraussichtlich aus dem Binnenmarkt und der Zollunion ausscheiden wird. Auch ihre Ankündigung, dass der Staat in nicht funktionierende Märkte intervenieren werde, hat viele Kapitaleigner verunsichert. Vier große Unternehmensverbände schrieben einen offenen Brief an die Premierministerin, in dem sie vor einem Abbruch der besonderen Handelsbeziehungen mit der EU warnen. Sollte Großbritannien seinen Handel mit den EU-Ländern nach den gleichen Regeln wie die restlichen Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) abwickeln - also ohne spezielles Freihandelsabkommen -, würde dies der britischen Wirtschaft erheblichen und langfristigen Schaden zufügen. 90 Prozent der britischen Handelsgüter wären von Zöllen betroffen, schreiben die Autoren, was beispielsweise die Kosten für die Autoindustrie um zehn Prozent erhöhen würde. Laut dem Industrieverband der britischen Einzelhändler würden die Zölle für Bekleidung um 16 Prozent steigen, für Fleisch gar um 27 Prozent.

Der Absturz des Pfundes seit dem Brexit-Votum ist ein Hinweis darauf, dass das Vertrauen der Märkte in die britische Wirtschaft stark beschädigt ist. Allein in den vergangenen vier Tagen hat das Pfund gegenüber dem Dollar 3,6 Prozent eingebüßt. Auf der anderen Seite verbuchten die britischen Aktienkurse einen neuen Rekordstand. Der Aktienindex FTSE der 100 größten börsennotierten Unternehmen kletterte am Dienstag zeitweilig bis auf 7129,83 Punkte. Ein schwaches Pfund beschert britischen Unternehmen mit Geschäften im Ausland wegen des günstigeren Umrechnungskurses höhere Einnahmen. Ihre Aktien sind daher begehrt. Doch insgesamt wird sich der Absturz negativ auswirken, denn Großbritannien importiert deutlich mehr Produkte und Dienstleistungen, als es exportiert. Im August wuchs das Handelsbilanzdefizit auf 4,7 Milliarden Pfund an.

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