Große schauen auf Montenegro

Parlamentswahl in dem kleinen Balkanstaat steht im Zeichen des NATO-Beitritts

  • Thomas Roser, Niksic
  • Lesedauer: 3 Min.

Die emsigen Fahnenschwenker geben das Tempo vor. Unter einem Meer von Montenegros tiefroten Landesflaggen tänzeln Tausende auf den vollbesetzten Tribünen des Sportzentrums von Niksic ausgelassen zu Technorhythmen und Ländlerweisen. Launig werden die schwülstigen Lobeshymnen lokaler Würdenträger auf »Milo, meine Sonne« immer wieder durch energisch skandierte »Milo, Milo«-Rufe unterbrochen.

Der Jubel steigert sich zum Orkan, als der Hoffnungsträger mit erhobenen Armen in seiner Geburtsstadt endlich selbst zum Rednerpult schreitet. Der Sieg seiner regierenden Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) werde bei der Parlamentswahl am Sonntag so klar wie beim Unabhängigkeitsreferendum 2006 sein, verkündet Montenegros Premier Milo Djukanovic seinem begeisterten Publikum: »Am 16.Oktober stimmen wir für die Verteidigung oder den Verrat des Staates.«

Ob als Premier, Präsident oder Parteichef - seit über einem Vierteljahrhundert zieht der hochgewachsene Richtersohn im Land der Schwarzen Berge die Fäden. Doch nach dem Bruch seiner DPS mit dem langjährigen Koalitionspartner, der sozialdemokratischen SDP, muss der steinreiche Dauerregent um die Mehrheit bangen. Die Zusammensetzung der künftigen Regierung scheint ungewisser als je zuvor.

Laut letzten und nicht zuverlässigen Umfragen soll die DPS als stärkste Partei nur auf 38 Prozent der Stimmen kommen. Die Koalitionskapazitäten der DPS seien »wesentlich geringer als früher«, erklärt Vanja Calovic, Direktor der wahlbeobachtenden Bürgerrechtsgruppe Mans.

Aber auch wenn die zersplitterte Opposition die Mehrheit der Sitze gewinnen sollte, sei ein Machtwechsel keineswegs gewiss, so Calovic: »Ich bin mir nicht sicher, ob die Opposition ihre Gegensätze für eine gemeinsame Koalition überbrücken kann.« Der DPS seien wiederum durch die bevorstehende Entscheidung über den NATO-Beitritt beim beliebten »Nachwahlshopping« von möglichen Mehrheitsbeschaffern aus den Oppositionsreihen Grenzen gesetzt: »Wenn die Legitimität des neuen Parlaments ernsthaft in Zweifel gezogen werden sollte, könnte das auch den NATO-Beitritt in Frage stellen.«

Wegen des geplanten NATO-Beitritts des nur 625.000 Einwohner zählenden EU-Anwärters wird der Urnengang selbst bei den Großmächten mit großem Interesse verfolgt. Auffällig ist die bisher in Montenegro ungekannte Materialschlacht, die sich vor allem die regierende DPS und das prorussische Oppositionsbündnis der Demokratischen Front (DF) liefern. Die DF sieht sich selbst dem Verdacht ausgesetzt, ihren aufwendigen Stimmenstreit von Moskau sponsern zu lassen: Wegen verdächtiger Finanztransfers aus dem bosnischen Teilstaat der Republika Srpska ermittelt inzwischen Montenegros Staatsanwaltschaft

Doch es ist vor allem die allmächtige DPS, die sich auch dieses Mal dem Oppositionsvorwurfs einer wenig transparenten Wahlkampffinanzierung, des Machtmissbrauchs und fragwürdiger Manipulation an den Wahllisten ausgesetzt sieht. Zudem ist eine geplante Säuberung der Wahllisten laut Calovic an der »völligen Obstruktion« auf allen Ebenen gescheitert.

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