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Zwischen links und ultralinks

Ronald Friedmann erinnert an den Kommunisten Arthur Ewert

  • Reiner Tosstorff
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist heute kaum noch bekannt, obwohl er eine bedeutende Persönlichkeit der Weimarer KPD war: Arthur Ewert. Gegen den Parteivorsitzenden Ernst Thälmann im fraktionellen Streit unterlegen, wurde er in die Kom-intern abgeschoben. Fortan war sein Name vor allem mit revolutionären Aktivitäten in China und Brasilien verbunden. Nun liegt endlich eine umfassende Biografie durch Ronald Friedmann in der bewährten Reihe zur linken Geschichte der Rosa-Luxemburg-Stiftung vor, die seinem Leben Gerechtigkeit widerfahren lässt.


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* Ronald Friedmann: Arthur Ewert. Revolutionär auf drei Kontinenten. Karl Dietz Verlag. 447 S., geb., 34,90 €.


1890 in Ostpreußen geboren, schloss sich Arthur Ewert bereits als Sattlerlehrling in Berlin der Arbeiterbewegung an, wobei er auch seine zukünftige Lebensgefährtin und politische Partnerin Elise Saborowski kennenlernte. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs wanderten die beiden nach Kanada aus, wurden jedoch wegen kommunistischer Betätigung bereits 1919 wieder nach Deutschland abgeschoben, wo Ewert 1923 in die Führung der KPD gewählt wurde.

In deren innerparteilichen Fraktionskämpfen war er an der Herausbildung der sogenannten Mittelgruppe, die später als »Versöhnler« bezeichnet wurden, beteiligt, die zwischen der angeblich »rechten« Gruppierung (Brandler-Thalheimer) und den »Linken« (Ruth Fischer-Arkadi Maslow) stand. Als er 1928 die auf sowjetischen Druck betriebene und vom neuen Parteichef Thälmann eifrig durchgesetzte »ultralinke« Wendung ablehnte, folgte seine Absetzung.

Im Auftrag der Komintern übernahm Ewert Anfang 1931 zunächst deren lateinamerikanisches Sekretariat in Montevideo. Ein zweijähriges Intermezzo in Shanghai folgte, wo die chinesische KP schwere Niederlagen erlitt, die sie zum »Langen Marsch« unter Mao quer durchs Land zwingen sollte.

Ewert wurde nach Moskau zurückgerufen. Inzwischen schien in Lateinamerika, diesmal in Brasilien, eine neue revolutionäre Situation herangereift. Der legendäre Freiheitskämpfer Luis Carlos Prestes hatte sich zum Kommunismus bekannt. Ewert wurde mit seiner Frau zu dessen Unterstützung nach Brasilien geschickt. Er wusste nicht, dass der britische Geheimdienst schon seit China in seiner nächsten Nähe einen Spitzel platziert hatte, der ihm auch nach Lateinamerika folgte.

Der bewaffnete Aufstand 1935 scheiterte an schlechter Vorbereitung und Überschätzung der Lage. Die Polizei konnte die Führung der Partei und auch Ewert und Elise Saborowski festnehmen. Sie wurden als vermeintliche Drahtzieher im Moskauer Auftrag brutalsten Folterungen unterworfen, an denen Ewert psychisch zerbrach.

Während seine Frau - ebenso wie die deutsche Kommunistin Olga Benario, die Frau von Prestes - direkt an Nazi-Deutschland ausgeliefert wurde und dort im KZ umkam, blieb Ewert zunächst in Brasilien inhaftiert, ohne jegliche gesundheitliche Versorgung. Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs konnte er dank auch der Bemühungen seiner Schwester nach Deutschland zurückkehren. Die Folgen der Misshandlungen in brasilianischer Haft ließen sich nicht mehr heilen. Arthur Ewert starb 1959.

Friedmann gelingt es, diesen dramatischen Lebensweg eines noch am Ende seines Lebens verstoßenen Genossen ausführlich, gestützt auf akribische Archivrecherchen, zu beschreiben. Für die Buchfassung musste er seine Arbeit kürzen; sie kann aber vollständig im Internet eingesehen werden.

Der Autor verdeutlicht Höhen und Tiefen in der Geschichte des internationalen Kommunismus am Lebensweg eines sympathischen wie bemitleidenswerten Kommunisten, der seine Gesundheit der revolutionären Sache geopfert hat. Friedmann verschweigt nicht die dem Stalinismus geschuldeten Fehlentscheidungen und Irrtümer, die zu vermeidbaren Niederlagen führten und Menschenleben kosteten.

Am Ende bleibt noch nachzutragen, dass der für die Folterungen Ewerts und die Auslieferung seiner Elise Saborowski wie auch von Olga Benario an Nazideutschland verantwortliche brasilianische Polizeichef 1960 das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik erhielt und vier Jahre darauf der brasilianischen Militärdiktatur angehörte.

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