Schwarz ist Pflicht

Bangkok trauert um König Bhumibol, und die Trauer ist ein gutes Geschäft

  • Robert Spring, Bangkok
  • Lesedauer: 4 Min.

Lee freute sich auf ein paar lustige Urlaustage in Bangkok. Lecker essen, Party feiern, Freunde treffen. Der Koffer des Singapurers ist voll mit Freizeitkleidung. Schwarzes ist nicht darunter. Aber Schwarz ist seit dem Tod von König Bhumibol in Thailand Pflicht. Lee kennt die Thais gut genug, um zu wissen, dass sie Ausländern vieles verzeihen. Trotzdem ist es ihm peinlich, nichts Schwarzes zu haben. »Man fällt auf wie ein bunter Hund«, seufzt der 49-Jährige unglücklich bei einem Bier in einer irischen Kneipe in der Sukhumvit.

Die Stimmung in der Stadt der Engel ist wegen des Todes des geliebten Königs Bhumibol ruhig, gedämpft und auch etwas gedrückt. Immerhin regierte der »Vater der Nation« sein Volk 70 Jahre lang, und die meisten Thais haben nie einen anderen König erlebt. Verständlich, dass mancher etwas besorgt in die Zukunft blickt.

Designierter Thronfolger ist Kronprinz Maha Vajiralongkorn. Bis zur Thronbesteigung zu einem noch unbekannten Zeitpunkt steuert General Prem, 96, als Regent Thailand durch die Phase des Übergangs, während Juntachef General Paryut Chan-o-cha für eine reibungslose Trauerzeit sorgt.

Der Eindruck der gedämpften Stimmung in Bangkok wird durch die (fast) fehlende Dauerbeschallung mit Musik verstärkt. Entertainment ist während der staatlich verordneten 30-tägigen Trauerzeit verboten. Im Luxuskonsumtempel Emporium wird zwar nicht ganz auf Musik verzichtet. Aber man hat entdeckt, dass zwischen »Aus« und »volle Lautstärke« auch andere Stellungen des Reglers möglich sind.

Auf geht es in die Khaosan Road. Wie wirkt sich die verordnete Trauer in diesem Sex’n-drugs-and-Rock’n-Roll-Paradies für Rucksacktouristen aus? Eine Überraschung: Die jungen Leute haben Verständnis. Zumal Party nicht ganz verboten ist. »Hier geht schon was ab«, weiß eine Journalistin des thailändischen Senders Amarin TV, die mit ihrem Kamerateam auf der Partymeile Backpacker interviewt. »Es ist nur nicht ganz so wild wie sonst. Die Musik ist etwas gedämpfter und manche Etablissements machen früher zu als sonst.«

Erstaunlich viele der internationalen Partygänger haben sich wie Daniel und Allie schwarz gekleidet. Die beiden Engländer sind wenige Tage nach dem Tod des Königs in Thailand angekommen. »Wenn man in einem Land zu Gast ist, sollte man sich anpassen«, findet Allie. Eine Stornierung der Reise sei ihnen trotz der Unkenrufe in internationalen Medien über eine mögliche politische Instabilität in der Zeit des Übergangs keine Sekunde in den Sinn gekommen.

Trauer ist Pflicht. Internetausgaben der Zeitungen erscheinen in Schwarz-Weiß. Hotels und Supermärkte zieren schwarz-weiße Trauergirlanden. Thais, die sich der gleichgeschalteten offiziellen Trauer dezent entziehen wollen, werden von Landsleuten sehr schräg angesehen. Oder gleich wegen Majestätsbeleidigung angezeigt. Die Zahl solcher Anzeigen und Verhaftungen hat seit dem Tod des Königs sprunghaft zugenommen.

Theresa und Sven haben Verständnis für die Trauer der Thais. Sich deswegen aber in Schwarz zu werfen, kommt den beiden Dresdnern nicht in den Sinn. »Wir haben keinen Bezug zu dem König«, sagt Theresa kategorisch. Auf den Besuch eines buddhistischen Tempels haben sie verzichtet, als man ihnen als Zugangsberechtigung für 100 Bath eine schwarze Trauerschleife aufnötigen wollte. »Das ist Nepp«, findet Sven.

Die Trauer ist ein gutes Geschäft. Schwarze Kleidung ist fast ausverkauft. Das freut die Hersteller von Stofffärbemitteln. Die Medien überbieten sich mit Ratschlägen, wie man am besten Hemden und Blusen schwarz färbt. Die Kassen klingeln auch in den auf buddhistische Religionsaccessoires für die zahlreichen Andachten und Trauerzeremonien in den Tempeln spezialisierten Geschäfte.

Thailand wäre nicht Thailand, wenn die Thais nicht mit Geschick Gebote und Verbote befolgen und sich gleichzeitig leise lächelnd darüber hinwegsetzen würden. Von wegen kein Entertainment. In den zahlreichen Massagesalons ist »business as usual« angesagt. Nur, dass die Mädels jetzt nicht in farbenfrohen oder glitzernden Röckchen vor den Etablissements sitzen und mit einem fröhlichen »welcome« Passanten locken wollen. Arbeitskleidung ist jetzt das sehr kleine Schwarze. Die Botschaft: Wir trauern um unseren König, sind aber keine Kinder von Traurigkeit.

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