Gar nichts war das
Leverkusens Trainer hat einen schlimmen Fauxpas begangen, der mit dem Schwert des Gesetzes und der Keule der Moral geahndet werden muss. Echt jetzt?
Ein Blick durch die Morgenzeitungen, ein Ausritt mit dem Surf-Brett auf den schaumgekrönten Wogen des Web. Roger Schmidt, das scheint schon mal klar, ist ein hoffnungsloser Fall. Leverkusens Trainer hat sich nicht im Griff, flippt aus, dreht durch, ist eine tickende Zeitbombe. Und all das mindestens, wenn nicht noch mehr.
Was war passiert? In einem Zweikampf zwischen einem Leverkusener und einem Hoffenheimer Spieler kam zweiterer zu Fall, woraufhin – zumindest behauptet das Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler – dessen Trainer Julian Nagelsmann eine Gelbe Karte für den Leverkusener Spieler gefordert haben soll. Diese Form des Petzens reißt leider immer mehr ein, doch eigentlich gilt es unter Spielerkollegen wie unter Trainern als verpönt, den Gegner dadurch zu schwächen, dass man ihn denunziert. Ist so. Ist gut so. Schmidt sagte, okay, brüllte also erstens: »Gar nichts war das«. Womit er recht hatte. Dann an die Adresse von Nagelsmann: »Was bist du denn für ein Spinner?« Und dann »Halt doch einfach mal die Schnauze!«
»Spinner«, »Schnauze«. Das sind zugegebenermaßen Worte, die noch nie ein menschliches Ohr gehört hat, die noch nie auf einem Fußballplatz gefallen sind. Keinesfalls darf man es da beim üblichen Samstagsabendgezeter über Nichtigkeiten belassen. Das Urteil muss längst vor dem Prozess gesprochen sein, und es kann nur »schuldig« heißen. Doch auch das genügt nicht, besser ist es, man holt gleich den Vorschlaghammer raus und lässt Freundin Moral um die Ecke kommen. Schmidt habe eine Vorbildfunktion, die er vernachlässigt habe, tönen alsbald die Sirenen. Wer solch schweres Geschütz auffährt, redet auf dem Fußballplatz selbst natürlich ganz anders. »Ich fürchte, Sie unterliegen einer Sinnestäuschung, werter Kollege«, sagt derjenige. Und: »Nun schweigen Sie doch bitte still...«
Nun denn, Roger Schmidt wird also eine empfindliche Strafe bekommen und die Kommentatoren werden noch einmal kurz aufjaulen. Man fragt sich nur, warum Darmstadts Coach Norbert Meier dann straflos davonkommt, der quasi zeitgleich einen Veitstanz vor der Wolfsburger Bank aufführte und damit die Coaching Zone um dutzende Meter verlassen hat, bevor er den vierten Offiziellen ansprang, was auch irgendwie laut Statuten... ach, lassen wir das…
Erinnern wir uns lieber an den gepflegt aussehenden Katalanen, der bis zum vergangenen Sommer den FC Bayern München coachte und dort drei Jahre lang immer wieder Verstöße gegen den Commit beging, für die die Schmidtsse der Liga von Verband und einigen Medien gekreuzigt worden wären. Pep, davon darf man ausgehen, würde sich totlachen, wenn er die Debatten um seinen Leverkusener Kollegen verfolgen würde. Und genau damit hätte er auch verdammt recht.
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