Wunschberuf Lokführer war einmal

Gewerkschaften halten der Deutschen Bahn eine kurzsichtige Personalpolitik in der Hauptstadt vor

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Lokführer ist schon lange kein Wunschberuf mehr«, sagt Frank Nachtigall, Vorsitzender der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL) im Bezirk Berlin-Sachsen-Brandenburg. Die Folge: Es fallen permanent Züge aus, weil es niemanden gibt, der sie fahren könnte. Nicht nur bei der Deutschen Bahn (DB): Besonders ist dies seit Monaten bei der privaten Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) zu beobachten, die unter anderem die ab Karow verkehrende Regionalbahnlinie RB 27 betreibt (»nd« berichtete).

»Bei den Arbeitszeiten und der Lebenseinstellung der jungen Leute ist das eher ein kontraproduktiver Beruf«, sagt Nachtigall. Mit Schichtdiensten und Wochenendarbeit sei das Leben nicht frei planbar. Darum fordert die GdL bei den laufenden Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn neben Lohnerhöhungen vor allem eine »tatsächliche Fünf-Tage-Woche«, wobei die zwei freien Tage »logischerweise« nicht unbedingt auf den Samstag und Sonntag fallen müssten. Man wolle keine »einseitige Flexibilität« auf dem Rücken der Beschäftigten mehr.

»Wir haben bereits 30 Arbeitszeitregelungen im Tarifvertrag«, sagt DB-Sprecherin Dagmar Kaiser. Damit habe das Unternehmen schon jetzt die weitreichendsten Regelungen der Branche. »Die GdL hat nun weitere 25 Arbeitszeitforderungen eingebracht. Das macht die Sache sehr, sehr komplex.« Aber natürlich gebe es immer Verbesserungsmöglichkeiten.

Klaus Just, Landesvorsitzender der Europäischen Verkehrsgewerkschaft (EVG), beklagt, dass Lokführer in den vergangenen Jahren »nur sehr halbherzig« ausgebildet worden seien. Eine Entwicklung, die nach Ansicht der EVG auch anderen Bereichen des Bahnkonzerns droht. »Von Jahr zu Jahr werden immer weniger Azubis übernommen«, sagt Just. Und wenn doch, »dann kaum noch dort, wo sie gelernt haben, sondern in der Zeitarbeitsfirma des Konzerns.« Während nach EVG-Informationen 2011 noch 13 von 18 Azubis als Elektroniker, Mechatroniker oder Industriemechaniker bei DB Fernverkehr in Berlin übernommen wurden, waren es ein Jahr später nur fünf von 14. Im kommenden Jahr könnte es zu gar keiner Übernahme kommen.

»Im Moment werden die Berliner Azubis nach drei oder vier Jahren vor eine unschöne Wahl gestellt«, so Just. Entweder sie blieben bei DB Fernverkehr und müssten nach Frankfurt, Köln oder München gehen oder sie würden zu DB Zeitarbeit geschickt.

»Jeder, der die Ausbildung bei uns erfolgreich abschließt, erhält ein Angebot im Konzern«, sagt DB-Sprecherin Kaiser. Das müsse nicht unbedingt in Berlin sein. Es gelte allerdings das Prinzip, möglichst wohnortnah beschäftigt zu werden. »Mehrere Azubis in Berlin haben das Angebot bekommen, in Leipzig zu arbeiten«, so Kaiser. DB Zeitarbeit, den konzerneigenen Personaldienstleister, nennt sie ein »Sprungbrett« innerhalb der Deutschen Bahn. Viele Mitarbeiter erhielten über diesen Weg schließlich Festanstellungen.

»Es fehlt ein Masterplan, stattdessen werden immer nur irgendwo Löcher gestopft«, sagt EVG-Sprecher Uwe Reitz. Das sei ein »hausgemachtes Elend«. Reitz beklagt auch, dass Azubis zum Teil sehr konkret eine Weiterbeschäftigung an ihrem Ausbildungsort versprochen werde, zu der es dann doch nicht komme. »Statt dem Nachwuchs eine klare Perspektive zu geben, riskiert die Bahn, dass sie zu anderen Unternehmen abwandern«, sagt EVG-Bezirkschef Just. Personalnöte jenseits des Lokführermangels »in einigen wenigen Regionen« befürchtet Kaiser für die DB in absehbarer Zeit nicht.

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