Geduld für den »Dickkopf«
Warum in der Lausitz alte Getreidesorten so gut gehen
Der Duft frischer Brötchen liegt über der Backstube. Der Ofen verströmt die herbere Note des Dinkelbrots, das ganz langsam dunkler wird. Der Bautzener Bäckermeister Lutz Neumann greift nach einem Sack Mehl. »Dickkopfweizen« steht auf dem Etikett, darüber leuchtet das Logo der Rätzemühle Spittwitz mit ihrem Sitz wenige Kilometer entfernt von der sächsischen Spreestadt. »Regional wird immer wichtiger. Ich weiß, auf welchen Feldern das Getreide gestanden hat und wer daraus das Mehl mahlt«, sagt der Chef der Bäckerinnung Bautzen.
Neumanns Familienbetrieb ist einer von sieben Bäckereien in der Oberlausitz, die mit alten Getreidesorten arbeiten. Sie wachsen im Biosphärenreservat Heide- und Teichlandschaft. Der Ableger des Staatsbetriebs Sachsenforst brachte das Projekt zur Erhaltung regionaler Getreidesorten 2007 auf den Weg. Projektleiterin Eva Lehmann musste zunächst Überzeugungsarbeit leisten. Berkners Schlesische Wintergerste, Jägers Pommersche Dickkopfweizen, Norddeutscher Champagnerroggen oder Heines Goldthorpe sind weniger ertragreich als herkömmliches Getreide. Auch deshalb wurden sie in den 1950er Jahren ausgemustert.
Knapp 70 Jahre später kehren sie als »Nischenprodukt« zurück. »In diesem Herbst haben wir 231 Hektar mit alten Sorten bestellt. In Vorjahren waren es im Schnitt 50 bis 70 Hektar. Die Menschen besinnen sich auf gesunde und regionale Ernährung«, sagt die Agraringenieurin. Zehn Landwirtschaftsbetriebe sind Projektpartner.
Über den Trend freut sich Bäckermeister Neumann. Er füllt die Zutaten für die Dickkopf-Brötchen in den Kneter. Während der Teig für normale Brötchen acht Minuten knetet, schaltet der Bäckermeister das Gerät auf zwölf Minuten. Nur so kann eine saftige Krume, das Innere des Brötchens oder Brots, entstehen. Seit einem halben Jahr experimentiert der Bautzener mit Champagnerroggen und Dickkopfweizen.
Mehr Erfahrung bringt Bäckermeister Jörg Sperling aus Spremberg (Kreis Landkreis Spree-Neiße) mit. Brandenburger Landwirte säen seit dem Jahr 1994 alte Getreidesorten. Sperling baut sie auf 158 Hektar an und mahlt das Vollkornmehl. Von den Brandenburgern kam das erste Saatgut. Es gehe darum, dass auf einst intensiv genutzten Flächen gefährdete Ackerwildkräuter zurückkehren. Zum Biosphärenreservat gehören 10 000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche.
Neumann wiegt die erste Portion des fertigen Teigs ab. Seit 1.30 Uhr produzieren der Meister und sein Geselle Brot, Brötchen und Kuchen. »Am besten geht immer noch Roggenmischbrot. Aber immer mehr Kunden lassen sich von den Vollkornprodukten überzeugen. Gerade für Allergiker ist das Brot aus alten Sorten gut«, sagt er.
Gedämpft wird die Freude durch den nassen Sommer. Müllermeister Sebastian Unger von der Rätzemühle in Spittwitz kann diesmal kaum auf alte Sorten zurückgreifen, weil es während der Ernte geregnet hat. »Die 35 Tonnen Champagnerroggen aus dem vergangenen Jahr haben wir allerdings bis auf das letzte Korn verkauft. Nun versuchen wir, aus anderen Regionen Deutschlands Korn dazuzukaufen«, sagt er.
Die Bäcker und die Projektleiterin sind dennoch optimistisch. »Wenn man etwas neu anfängt, muss man ein bisschen probieren«, sagt Neumann. dpa/nd
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