Das Smartphone ist keine Banane
Die »Fairphone«-Initiative wird mit dem Deutschen Umweltpreis 2016 ausgezeichnet
Als im Mai 2013 in den Niederlanden das erste »Fairphone« vorgestellt wurde, war klar: Das Smartphone ist in Sachen Nachhaltigkeit der erste ernsthafte Versuch, etwas in der Handybranche zu verändern, doch einen Designpreis würde die nach dem Mobiltelefon benannte Stiftung mit ihrem Gerät nicht gewinnen. Drei Jahre und 100 000 verkaufte Geräte später sowie eine technische Generation weiter öffnen sich die Erfinder mit ihrem aktuellen Produkt, dem »Fairphone 2«, behutsam gegenüber einer Entwicklung, die nicht nur in der Smartphonebranche, sondern bei fast allen Konsumgütern zum Standard gehört. Das Produkt wird für den Käufer personalisierbar. Für die Macher des »Fairphone« bedeutet solch eine Öffnung einen Spagat, immerhin soll ihr Gerät weiterhin Ressourcen schonen.
Deshalb gibt es, im Gegensatz zu anderen Herstellern im Elektronikhandel keine technischen Spielereien, um das Gerät aufzurüsten. Und so beschränkt sich die vor wenigen Tagen verkündete Erneuerung auf die Option, beim Kauf des etwa 500 Euro teuren Smartphones aus vier Farben zu wählen. Dies diene der »Langlebigkeit des gesamten Gerätes«.
Wichtig sei es, betont Fairphone-Gründer Bas van Abel in Interviews immer wieder, zwischen Nutzer und Gerät eine Beziehung aufzubauen und dass es sich eben nicht um ein Konsumprodukt handle, das nach zwei Jahren ersetzt werden sollte. Hier spielt das Fairphone seine bisher größte Stärke aus: Beim Design wurde darauf geachtet, das Innenleben so zu konstruieren, dass der Nutzer mit einem einfachen Schraubenzieher an alle Bauteile herankommt. Defekte Teile können so selbst getauscht werden, Ersatzeile lassen sich beim Hersteller bestellen. Ein völlig anderer Ansatz als etwa beim Apple-Konzern, der beim iPhone sogar den Wechsel des Akkus unnötig erschwert.
Weil der Hersteller des »Fairphone« noch immer fast der einzige auf dem Mobilfunkmarkt ist, der versucht, einen Beitrag zur schonenden Nutzung natürlicher Rohstoffe zu leisten, wird die dahinterstehende Stiftung am Sonntag mit dem Deutschen Umweltschutzpreis ausgezeichnet. Seit dieser Woche darf das »Fairphone« zudem als erstes Mobiltelefon überhaupt mit dem Nachhaltigkeitssiegel »Blauer Engel« werben. Eine Auszeichnung, die allerdings auch auf Kritik stößt: So urteilten die IT-Experten von »Heise Online«, bei den technischen Anforderungen sei das Siegel »nicht besonders streng«. Zu den Kriterien gehören unter anderem ein eigenes Rücknahmesystem für Altgeräte, ein Wechselakku sowie die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation beim Zusammenbau des Gerätes.
Was der »Blaue Engel« beispielsweise nicht erfasst, sind die Arbeits- und Umweltstandards der Zulieferer. Genau die bilden den Schwerpunkt in der Arbeit des »Fairphone«-Projekts. Die Niederländer versuchen, die gesamte Produktion inklusive der Lieferkette bis zu den Rohstoffen offenzulegen und dabei etwa auf Mineralien aus Konfliktregionen zu verzichten. Für Gold, Tantal, Wolfram und Zinn gelingt dies bereits, doch in einem modernen Mobiltelefon stecken mehr als 40 Mineralien. Andere bekannte Smartphonehersteller tun ähnliches inzwischen zum Teil auch, längst aber nicht so konsequent. »Es gibt derzeit nichts, was besser wäre«, urteilt deshalb auch die Umweltschutzorganisation Germanwatch.
Um ein wirklich faires Gerät handele es sich beim »Fairphone 2« allerdings auch noch nicht. Ähnliches bestätigte eine Studie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) im Juni: 50 Experten von Universitäten, Umweltschutzverbänden und weiteren Organisationen urteilten, dass im Vergleich zu allen anderen Herstellern das »Fairphone 2« in Sachen Transparenz und Fairness überlegen sei. »Auch wenn noch nicht alle Arbeitsschutzkriterien in der Produktion eingehalten werden, hat das Projekt eine Signalwirkung für die gesamte Elektronikbranche«, so der DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft, Thomas Fischer.
Van Abel weiß um diese Kritik, gibt aber zu bedenken: »Ein Smartphone ist keine Banane, sondern ein sehr komplexes Produkt«, sagte er kürzlich der »Deutschen Welle«. Insgesamt umfasse das Smartphone 1200 Komponenten aus der ganzen Welt, deshalb müsse sich das Unternehmen auf bestimmte Bereiche konzentrieren, in denen Verbesserungen am wichtigsten seien. Die wie bei anderen Herstellern übliche Produktion des Endgerätes in China habe damit zu tun, dass viele Lieferketten dort zusammenliefen.
Aber auch hier versucht sich das »Fairphone« an einem Wandel: So erhalten Fabriken, in denen demokratische Betriebsratswahlen möglich sind, eine Prämie. Auch die Niederländer wissen, dass dies nur ein Anfang sein kann.
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