Haftstrafe für Auschwitz-Tattoo

Landgericht Neuruppin verurteilt NPD-Kreistagsabgeordneten zu acht Monaten Gefängnis

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Marcel Zech, NPD-Kreistagsabgeordneter im Barnim, hatte sich die Silhouette des Vernichtungslagers Ausschwitz-Birkenau auf seinen Rücken tätowieren lassen und dazu den am Konzentrationslager Buchenwald angebrachten Spruch »Jedem das Seine«. So hat er mit seinen zwei kleinen Kindern am 21. November 2015 das Oranienburger Spaßbad besucht. Ein Journalist sah das zufällig und machte nacheinander drei Bademeister darauf aufmerksam, bis einer nach Rücksprache mit einem Vorgesetzten verlangte, Zech solle seinen Rücken mit einem Handtuch bedecken oder gehen. Der NPD-Kommunalpolitiker verließ daraufhin das Spaßbad, in dem er sich zuvor zwei Stunden lang unbehelligt mit seinen Kindern vergnügt hatte. Am Montag verurteilte das Landgericht Neuruppin den 28-Jährigen zu acht Monaten Haft wegen Volksverhetzung.

Mildernd berücksichtigten die Richter, dass der Angeklagte dabei ist, die Tätowierung in mehreren Sitzungen ändern zu lassen. Das Eingangstor von Auschwitz-Birkenau mit Stacheldraht an den Seiten weicht dabei schrittweise einer Darstellung der Figuren Max und Moritz aus den Bildergeschichten von Wilhelm Busch. Auf Fotos schauten sich die drei Richter und Staatsanwalt Torsten Lowitsch an, wie das Tattoo gegenwärtig aussieht und welche endgültige Form es nach der Entwurfszeichnung annehmen soll. »In dieser Form würde ich es nicht mehr juristisch verfolgen«, erklärte der Staatsanwalt in einer Verhandlungspause.

Unter den Prozessbeobachtern wurde spekuliert, welchen Hintergedanken die Neonaziszene bei Max und Moritz haben könnte. Es habe einen SS-Sturmbannführer Wilhelm Busch (1892-1968) gegeben, so hieß es, der im Thüringer Landtag und im Reichtag saß. Außerdem wurde daran erinnert, dass der Dichter und Zeichner Wilhelm Busch (1832-1908) antisemitische Anwandlungen hatte, die in den Neuausgaben seiner Werke manchmal getilgt sind.

Mit einer Bewährungsstrafe wollte die Justiz den NPD-Politiker derweil auch deswegen nicht davonkommen lassen, weil er seit 2013 schon mehrfach zu Geldstrafen verurteilt wurde. Auf dem Kerbholz hat er Körperverletzung, Beleidigung und Fahren ohne Führerschein, zudem Amtsanmaßung und jetzt Volksverhetzung. In Panketal hatte er einen Mann beim Abreißen von NPD-Wahlplakaten beobachtet, sich als Polizist ausgegeben und den Personalausweis verlangt und weggenommen. Ein Kumpan schlug das Opfer damals mit der Faust nieder, das sich aber aufrappeln und fliehen konnte.

Im ersten Anlauf vor dem Amtsgericht Oranienburg bekam Zech für seine Tätowierung Ende 2015 nur sechs Monate aufgebrummt, auch noch ausgesetzt zu drei Jahren auf Bewährung. Doch damit war weder die Staatsanwaltschaft einverstanden, die zehn Monate gefordert hatte, noch Verteidiger Wolfram Nahrath, der Freispruch verlangt hatte. Beide Seiten legten Berufung ein, und Nahrath forderte am Montag erneut einen Freispruch. Er begründete das so: Das Motto »Jedem das Seine« stehe in keinerlei Zusammenhang mit dem darüber abgebildeten Lagertor. Es beziehe sich vielmehr auf den auf Zechs Schultern tätowierten Slogan »Freundschaft verbindet«. Außerdem sei gar nicht Auschwitz-Birkenau abgebildet, denn der Turm sei rund, in Wirklichkeit habe dieses KZ aber einen eckigen Turm gehabt. Überdies stelle die Abbildung eines Gebäudes noch lange keine Billigung des Völkermords an den Juden dar, zumal keine Gaskammern oder Leichenberge zu sehen seien. »Ob das zynisch oder geschmacklos ist, das ist eine ganz andere Frage.« Nahrath verstieg sich zu der Theorie, von Holocaustleugnung könne keine Rede sein. Denn Leugnen sei wissentliches Lügen, aber sicher wissen könne von den Verbrechen niemand, der nicht dabei gewesen sei.

Staatsanwalt Lowitsch reagierte: »Das kann man nicht nur, dass muss man anders sehen.« Die Tätowierung und die damit verfolgte Absicht seien eindeutig. Die Öffentlichkeit würde Milde in diesem Fall nicht verstehen.

Der Vorsitzende Richter Jörn Kalbow meinte dann auch, das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirksamkeit der Strafrechtspflege würde abnehmen, wenn die acht Monate Haft zur Bewährung ausgesetzt werden. Szeneanwalt Nahrath kündigte umgehend an, Revision gegen das Urteil einzulegen. Dann käme die Sache vor das Oberlandesgericht.

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